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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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de Maison und hat zwanzig Kilo zugenommen und wirkt irgendwie nicht mehr devot genug. Obwohl er es definitiv noch ist, so wie er vor Philipp auf dem Bauch robbt. Gruber kommt eigentlich gar nicht mehr hierher, und wenn, dann nur wegen Philipp. Aber heute zum letzten Mal. Definitiv. Das war’s jetzt, endgültig! Ich meine, schau dir bitte das Essen an, drei kleine Würfel aus verschiedenen Fischmoussen mit irgendeiner Modereduktion darüber gesudelt und daneben ein Löffel eines knallgrünen Breis. Bin ich ein Mädchen?, denkt Gruber.
    «Bin ich ein Mädchen?», sagt Gruber. «Warum muss ich das essen? Warum muss ich hier sein?»
    «Weil du es bestellt hast», sagt Philipp und lehnt seine Massigkeit zurück, «und weil sie mich hier liebhaben.» Das stimmt nicht. Man hat ihn nicht lieb, man buckelt nur vor ihm, weil er teuren Wein trinkt und peinlich gute Trinkgelder gibt. Immer viel zu viel. Dabei ist er sonst ein geiziger Hund, das hat er von seiner Mutter geerbt. Aber von der hat Philipp auch diesen Trinkgeld-Tick, weil seine Mutter immer – also, ab dem Zeitpunkt, als sie keine andere männliche Begleitung mehr abbekam als Philipp, also circa ab Philipps sechstem Geburtstag – ganz miese Trinkgelder gegeben hat, nachdem sie das Personal den ganzen Abend für jeden hörbar von oben herab behandelt und bei jeder Gelegenheit sowie auch ganz grundlos abgewatscht hatte. Von dem Moment, als Philipp das kapiert hatte, da war er ungefähr acht, hatte er sich dafür geniert. Das wird er jetzt nie mehr los, nie mehr. Und das kostet ihn, überschlägt Gruber, jährlich das Monatsgehalt einer Supermarkt-Regalbetreuerin. Er kann einfach kein normales oder gar leicht darunterliegendes Trinkgeld geben, weshalb Philipp, wenn er es irgendwie einrichten kann, gerne Gruber die Rechnung überlässt, Gruber ist eh so reich, oder? Du bist doch reich, Gruber, du bist doch ein total fett reiches Arschloch, mit deinem ganzen Investmentscheiß, nicht? Gruber, du brauchst doch eigentlich den Rest deines Lebens keinen Finger mehr zu rühren? (Stimmt nicht. Wenn er genau so weiterlebt wie jetzt, genau bis sechsundsechzig.)
    Wieder einmal: Mutterschuld.
    «Und wegen dem Fisch. Yvonne sagt auch ...»
    «Bitte nicht Yvonne. Bitte nicht! Ich will heute nichts von Yvonne hören. Bitte!», sagt Gruber, «ich bin ein todkranker Mann, vergiss das nicht.»
    «Jaja», sagt Philipp, «ich sag eh nichts. Aber wenn ich schon dein Essen zahle, darf ich wenigstens auch die Konversation ...»
    «Ich zahl mein Essen selbst», sagt Gruber, «und deins auch. Und du verlierst dafür kein Wort mehr über Yvonne.»
    «Einverstanden, vergeltsgott», sagt Philipp und redet das ganze Essen lang über Yvonne, Vorspeise, Hauptspeise, Dessert, Käse: Yvonne, nur Yvonne. Was Yvonne gesagt hat. Was Yvonne gerade für einen Kelch mit dem Boss hat. Wie oft Yvonne angerufen hat, was Yvonne gesagt hat, als sie angerufen hat. Dass Yvonne eine Metabolic-Balance-Diät macht, und es funktioniert super, Yvonne habe schon viereinhalb Kilo abgenommen und jetzt finde Yvonne, er, Philipp könnte das doch auch einmal versuchen. Und es sei auch ganz easy, habe Yvonne gesagt, und eigentlich habe man gar keinen Hunger, also vielleicht sollte er das wirklich, wie Yvonne geraten hat, einmal versuchen? Wenn es bei Yvonne wirkt, die das ja eigentlich gar nicht nötig hätte bei ihrer Traumfigur? Dass Yvonnes Mutter zum Orthopäden musste. Dass Yvonnes Schwester das dritte Kind bekommen und Yvonne damit innerhalb ihrer Familie mies unter Druck gesetzt hat. Und was Yvonne auf Facebook für eine lustige Statusmeldung ... Gruber versucht ungefähr acht Mal das Thema zu wechseln, er versucht es mit Politik, mit der Ölpest, sogar mit Theater, weil Philipp, nein Yvonne, liebt das Theater; völlig sinnlos. Wie immer. Erst beim Kaffee hat Philipp das Yvonne-Reservoir in sich so weit entleert, dass wieder ein anderes Thema möglich ist. Möglich wäre.
    «Also, deine Chemo. Wann hast du eigentlich die nächste Untersuchung, bei der man sieht, wie die Chemo dem Hodgkong zugesetzt hat?»
    Aber Gruber will jetzt nicht mehr. Er ist überfressen und Yvonne-mäßig überdehnt und vor allem will er, scheißdrauf, keine Konversationsalmosen. Und nicht über die Krankheit reden. Tatsächlich würde Gruber jetzt gern über Sarah reden, etwas von Sarah erzählen. Aber er weiß nicht, was er Philipp über Sarah mitteilen könnte, das in dessen von Yvonne final kontaminiertem amourösen System auch nur

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