Gruber Geht
Schweizer. Macht einen natürlich auch misstrauisch: Das hätte sonst eine sein können, die ihm das Wasser vom Tablett rempelt, Susan Boyle, Sarah Palin, Alice Schwarzer, was weiß ich, John würde vermutlich naturbedingt sofort die Charmemaschine anwerfen, der flirtet sicherheitshalber jede an, die ihn anrempelt. Der hat das in den Genen, nehme ich mal an. Automatisch schauen, was geht, und dann erst schauen, was das für eine ist, bei der was ginge. Man kann dann ja immer noch höflich abwinken.
Aber dann hatte ich den an der Backe. Fand ich ja zuerst gar nicht super. Eigentlich irrsinnig unsuper. Darf ich mich zu Ihnen setzen, darf ich Sie einladen, den ganzen Scheiß, meine Güte. Nein. Nein, hab ich gesagt! War dem aber egal, und nach zwei Minuten war es mir auch egal, also eigentlich war’s mir da schon recht, der kann was, das habe ich gleich gemerkt. Der hatte wohl irgendeinen Terminmarathon in unserem Konzern, irgendwelche Verhandlungen, Vertragsdetails abklären, was weiß ich, am nächsten Tag auch, aber für den Abend hat er mich zum Essen eingeladen, und da hat er mich schon genug interessiert, dass ich zugesagt habe. Charme, das hat der. Wir haben uns in der Kronenhalle getroffen, und zuerst hat er nur geschimpft: Das Essen, der Service, der Wein, die Preise, er war ziemlich laut und ungut, er ging mir extrem auf den Geist. Vielleicht war er nur nervös, und ich wollte, ehrlich gesagt, schon verschwinden. Ich habe echt überlegt, ob ich aufs W C gehen, mir hinten heimlich den Mantel geben lassen und durch die Bar abhauen soll. Kein Scheiß, ich habe wirklich ernsthaft darüber nachgedacht. Als er ein bisschen etwas getrunken hatte, wurde es besser, und da wurde er dann wirklich witzig und aufmerksam und wir haben ziemlich entspannt geplaudert. Wie er erzählt hat, was er macht, das hatte irgendwie Feuer. Und, blödes Wort, aber es passt, Leidenschaft. Und immer in diesem Wienerisch, das war irgendwie süß. Und er kann zuhören, zeig mir einen Mann, der zuhören kann. Und er ist nicht verheiratet und hat keine Freundin! Also, wenn’s wahr ist, aber ich glaub schon. Ich meine, der ist so launisch, den hältst du in Wirklichkeit höchstens zehn Stunden am Stück aus und dann auch nur, wenn er sechs davon schläft. Und dann auch nicht, weil er schnarcht wie eine Sau. Wir sind dann noch ins Mascotte, da war er schon ziemlich zutraulich, aber nicht auf dumm, sondern okay irgendwie, und wie wir um eins oder so raus sind, hat er mich auf der Straße geküsst, und zwar ganz gut, und da habe ich gedacht, okay, auch schon egal. Wir haben uns ein Taxi genommen und sind zu mir. Da wurd’s dann eher komisch, weil er dann bei mir plötzlich total anders war. Total zögerlich auf einmal. Ich habe ihn auf dem Sofa platziert und eine Flasche Wein aufgemacht. Und komischerweise wollte er dann auf einmal wieder reden. Und nichts als Unsinn. Er hat immer so blöd gesagt: Döööönisdöööönisdöööönis, schöne Wohnung, Döööönis, schönes Sofa, Döööönis, was machst du so, Döööönis, und Dööönis, hast du was von Bob Dylan hier?, Döööönis, nur so Scheiß, das ging mir schwer auf den Keks. Ich meine, Bob Dylan, der hat sie doch nicht alle. Und ich wollte auch schon lang nicht mehr reden, haha, aber ich mußte mich ihm praktisch auf den Schoß werfen, damit er mit dem Quatschen aufhört und etwas weitergeht, bevor es mir endgültig zu dumm wurde. Und ich war S O kurz davor. Aber dann hat er sowieso ... und es war ziemlich. Na ja. Seltsam. Schon okay, aber schon sehr seltsam. Zwischendurch war er extrem süß und super, aber dann hat er mich wieder so angefasst, so, so kalt und distanziert, und als sei er wütend. Komisch war das. Danach konnte er nicht schnell genug wegkommen, das fand ich ziemlich ungut. Er hat gesagt, er muss früh auf am nächsten Tag, Termine, Termine, das übliche Plingplong. Ermüdend. Als er draußen war, bin ich im Bett gelegen und hab mir gedacht: Trottel. Und: dumme Kuh. Das war jetzt aber nötig, was.
Immerhin hat er dann, ich nehme an vom Taxi aus, noch eine ganz nette SM S geschickt, und am nächsten Tag sogar angerufen und gesagt, er ist auf dem Weg zum Flughafen, und ob es okay ist, dass er sich wieder meldet, wenn er in Zürich ist. Ich sagte klar, obwohl ich mir nicht sicher war. Ich hab ihn danach noch zweimal getroffen, und es war immer ähnlich. Es war immer ein Teil super, und ein Teil total bescheuert, zum Davonrennen, und der Sex ist ... also er kann
Weitere Kostenlose Bücher