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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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passieren und ihr seid ja nicht verheiratet, was weißt du, was der in Wien alles macht. Hatte sie schon recht. Dann wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte, und antwortete erst mal nicht, und außerdem schrieb er auf Facebook, dass er in der tiefen Provinz sei und keinen Empfang hat. Ich überlegte die ganze Zeit, ob ich ihm auf Facebook mailen soll, und wenn ja was, aber ich war unfähig dazu, weil ich ja so ein schlechtes Gewissen hatte und dachte, der merkt und spürt das bestimmt sofort. Und ich hab’s ja nicht so mit den Wörtern. Und dann wusste ich endlich, was ich schreiben wollte, aber dann kam etwas dazwischen. Dann merkte ich, dass etwas nicht stimmt. Dann merkte ich, was nicht stimmt. Dann war ich schwanger.
    Und, nein, nicht von Felix. Felix will definitiv nicht auch noch Kinder von einer anderen Frau, der findet sein Leben schon so stressig genug, und in dieser Hinsicht passt er richtig gut auf. Also von John. Von einem Mann, den ich kaum kannte. Von einem krebskranken Mann, den ich kaum kannte. Von einem krebskranken Mann, den ich kaum kannte und der tausend Kilometer entfernt lebt. Von einem krebskranken Mann, den ich kaum kannte, der tausend Kilometer entfernt lebt und mit dem ich nur ein einziges Mal nicht aufgepasst hatte. Von einem krebskranken Porschefahrer, den ich kaum kannte, der tausend Kilometer weit weg lebt, mit dem ich nur ein einziges Mal nicht aufgepasst hatte und der einmal erwähnt hat, dass er lieber keine Kinder will – ich könnte die Reihe endlos fortsetzen. Und ich wollte ja im Übrigen auch nie welche. Ich habe mich nie mit einem Kind gesehen. Ich war immer stolz darauf, eine Frau zu sein, die kein Kind braucht. Ich machte drei Tests, um das Damoklesschwert über mir zu verjagen, aber sie waren alle einwandfrei positiv. Ruth machte einen Bluttest, positiv. Ich wollte Ruth noch zu einem Ultraschall überreden, um ganz sicherzugehen, aber sie weigerte sich. Sie sagte, die Blutuntersuchung sei unbestechlich, ich sei schwanger. Und sie wollte nicht, dass ich den Herzschlag sehe. Ruth sagte, wenn du den Herzschlag siehst, ist dir alles wurscht, die tausend Kilometer und der Porsche und der Krebs und dass er keine Kinder will, den Herzschlag zeige ich dir sicher nicht. Also, nicht mal Ruth fiel zu diesem Problem etwas ruthmäßig Zündendes ein, selbst Ruth, selbst 3 -Kinder-Minimum-Ruth fiel dazu nur die Abtreibungsambulanz ein. Und ich dachte auch, ja klar, weg. Gar nichts sagen, einfach weg, so schnell siehst du den eh nicht wieder, der braucht das nie zu erfahren. Ruth fragte nach meiner letzten Periode, zählte an den Fingern ab und meinte, dass ich noch Zeit hätte, aber ich wollte es so schnell wie möglich hinter mir haben.
    Ich rief in der Schwangerschaftsambulanz an, und sie gaben mir trotz Bitten und Betteln erst drei Wochen später einen Termin, sagten mir, ich müsse zum vorgeschriebenen Beratungsgespräch und gaben mir eine Telefonnummer. Wusste ich, war ja nicht das erste Mal. Ich rief bei der blöden Beratungsstelle an und ging zu dieser blöden Beratung, aber die Frau dort war, anders als der Kerl beim letzten Mal, cool und wirkte vernünftig, und der krebskranke Vater, der ging ihr runter wie Öl. Ich hatte befürchtet, sie würde vielleicht ein ärztliches Attest verlangen, einen Beweis für die tödliche Krankheit des Erzeugers, die in der Genetik meines Kindes mit großer Wahrscheinlichkeit eine Disposition zu Krebs hinterlassen würde. Aber sie glaubte mir das. Sie hatte wohl Erfahrung darin, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, und außerdem wirkte sie nicht wie eine, die eine andere dazu zwingen will, ein Kind zu bekommen, das die auf keinen Fall will.
    Die restlichen zwei Wochen versuchte ich nicht daran zu denken, dass ich schwanger bin. Und dachte ununterbrochen bloß, ich bin schwanger, ich bin schwanger. Dass etwas wächst in mir, dass etwas sich entwickelt. Meine Brust spannte. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl: Da entsteht etwas Neues in mir. Ich bin nicht mehr allein. Ich legte ständig die Hand auf meinen Bauch, obwohl er natürlich noch unverändert und obwohl natürlich rein gar nichts zu spüren war. Aber ich meinte dennoch etwas zu spüren. Ich dachte an John, und was er dazu sagen würde, und ich wusste, er würde dasselbe sagen wie ich: Unmöglich. Das ist ganz schlecht jetzt, das geht im Moment gar nicht. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das ist auch nicht die Wahrheit, also für mich. Ich dachte darüber nach,

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