Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
Vom Netzwerk:
ausgeschüttet vor Lachen, als der Kollege, der
den Anruf des Gerichtsmediziners entgegengenommen hatte, den Fall mit allen
pikanten Details laut vortrug und nicht an deftigen Kommentaren sparte.
    Ein Deutscher hatte seine körperliche Verfassung deutlich
überschätzt und war nach Einnahme einer sehr großen Dosis Potenzmittel beim
Geschlechtsverkehr an einer Herzattacke gestorben. Irgendwer hatte den toten
Liebeshelden dann posthum in den Pool gestoßen und der von der Gendarmerie
herbeigerufene Arzt hatte in den Totenschein „Herztod bei Sprung in den Pool“
geschrieben. Erst der Gerichtsmediziner, der die Leiche für die Überführung
nach Deutschland freigeben musste, bemerkte, dass der Mann bereits tot war, als
er im Wasser landete. „Entweder ist er vor Schreck bereits beim Springen gestorben,
oder jemand hat einen Toten in den Pool gestoßen. Wozu das gut sein könnte, das
ist nun wieder Ihre Angelegenheit“, hatte er Vidal erklärt.
    Der Gerichtsmediziner hatte sich an der Darstellung
seiner Erkenntnisse geweidet. „Der hatte genug PDE-5-Hemmer im Blut, um als
Zuchthengst tätig zu sein. Für einen Mann Anfang sechzig ist das nicht
ungefährlich. Sex stellt eine außerordentliche körperliche Belastung dar.“
    „Das mag Ihre subjektive Einschätzung sei“, hatte Vidal
erwidert.
    „Absolut nicht! Es hängt zwar auch viel von dem Grad der
Leidenschaft ab, aber bei Einnahme von PDE-5-Hemmern kann der Triumph der
verloren geglaubten Männlichkeit zu einer Überschätzung des physisch Möglichen
führen. Beim Sex steigt, wie bei jeder starken körperlichen Beanspruchung, die
Herzfrequenz deutlich an und der Sauerstoffbedarf nimmt enorm zu. Gleichzeitig
kommt es dabei zu einer Verknappung des Sauerstoffangebots. Die Durchblutung
des Herzmuskels erfolgt nämlich nur während der Erweiterung der Herzkammern,
der Diastole. Eine Steigerung der Herzfrequenz im Rausch der Lust ist dabei
kontraproduktiv, weil damit eine Verkürzung der Diastole einhergeht.“
    „Und was passiert dann?“
    „Bei untrainierten Patienten mit koronarer Herzkrankheit
kann dies einen Angina-Pectoris-Anfall oder einen Herzinfarkt auslösen. Man
muss da schon aufpassen und die Beipackzettel studieren, wie bei jedem anderen
Medikament auch. Baumann hatte eine extreme Konzentration von Clardonafil
Hydrochlorid im Blut. Der könnte eine mächtige Erektion gehabt haben, bevor er
starb.“
    „Und, hatte er eine mächtige Erektion?“
    „Soweit wir feststellen konnten, hat es kurz vor seinem
Tod zumindest eine Ejakulation gegeben. Was nicht bedeutet, dass er Verkehr
hatte. Genau werden wir das nie erfahren. Aber vermutlich hat der Mann noch
einmal sein Bestes gegeben, es übertrieben und ist dann daran verschieden.“
     
    Von Avignon hinauf in die Berge erschien Luc Vidal die
Fahrt wie der Beginn eines Ferientages. Versonnen betrachtete er die Landschaft
und bewunderte den eisernen Willen unzähliger Radfahrer, bei ihren
kräftezehrenden Bergfahrten der mörderischen Hitze zu trotzen, die selbst
jetzt, am späten Nachmittag, noch wie eine bleierne Glocke über dem Vaucluse lag.
    Vidal hatte nach seinen ersten Informationen über den
Toten ein exklusives Objekt erwartet, war nun aber von der Größe des aufwändig
renovierten Hauses überrascht. Der Verleger hatte sich den Traum von einem
Sommerhaus in der Provence ganz offensichtlich ein Vermögen kosten lassen.
    Der Mann, der ihm öffnete, kam aus dem Norden. Seine
helle Haut und erste Spuren der provenzalischen Sommersonne darauf, verrieten
die Herkunft. Vidal vermutete in ihm den Fahrer des alten Range Rover mit
deutschen Kennzeichen, der am Rande der Kiesfläche unter einem Baum geparkt
stand. Der Mann war schlank, etwa einen Meter achtzig und ungefähr Mitte
vierzig, wie er selbst. Die Nase wies eine Bruchstelle auf, an der das
Nasenbein abgeflacht und verbreitert war, über seinen graublauen Augen
wucherten dichte, honigfarbene Brauen. Ein starker Bartwuchs hatte jetzt am
Nachmittag bereits wieder schwarze Stoppeln um den geraden Mund sprießen
lassen, der leicht spöttisch verzogenen war.
    „Commissaire Luc Vidal“, sagte er, und ließ seine Arme
demonstrativ am Körper herabhängen, jeden Anschein einer persönlichen Geste
vermeidend. „Police nationale Avignon. Sie verstehen Französisch?“
     
Unerwarteter Besuch
    Anselm sah den Kommissar mit leicht geöffnetem Mund an,
der Blick glitt rasch über sein Gegenüber. Er nickte dabei mehrere Male
schwach. „Leidlich!“, sagte

Weitere Kostenlose Bücher