Grün. Le vert de la Provence
fragte der Kommissar.
„Ich sagte: Benzanafil. Sie haben eben gesagt, dass die
Gerichtsmedizin bei Monsieur Baumann Clardonafil im Blut gefunden habe. Ed hat
ein anderes Präparat genommen, das den Wirkstoff Benzanafil enthält. Schauen
Sie einfach ins Bad, da finden Sie die angebrochene Packung.“
„Was macht das für einen Unterschied?“
„Einen großen. Ein anderes Medikament, eine andere
Wirkungsweise, eine andere Intention. Bei dem Mittel, das Ed benutzt hat, setzt
die Erektion später ein. Man kann nicht so spontan Sex haben. Ich benutze auch
gelegentlich solche Mittel, deswegen weiß ich ein wenig Bescheid. Und wenn Ed
Montagmorgen, mit wem auch immer, hier Sex haben wollte, dann würde er eine von
seinen Pillen eingenommen haben. Da kannte er vermutlich die Wirkungsweise ganz
genau. Warum sollte er ein Experiment wagen und ein anderes Mittel einnehmen?
Ich hätte das nicht getan!“
Vidal sah ihn einen kurzen Moment irritiert an. „Sie
meinen, Monsieur Baumann hätte das Mittel nicht bewusst eingenommen?“
„Denkbar ist das für mich.“
„Warum?“
„Es wäre eine elegante Art, jemanden zu töten. Ed hatte
Herzprobleme. Wer das wusste, hätte sich diese Kenntnis zunutze machen können.“
„Interessant!“ Vidal sah zu Valerie, die über ihre Knie
hinweg das Gespräch der Männer verfolgt hatte. „Wer wusste noch von seinen
Herzproblemen?“
„Ich denke, seine Verwandten, engsten Freunde, Vertraute,
Mitarbeiter“, antwortete Anselm für Valerie.
„Und hier, in seinem Lebensumfeld in der Provence?“ Vidal
sah weiter Valerie an.
„Praktisch alle unsere Freunde und Sophie, die hier das
Haus verwaltet. Vermutlich auch der Gärtner, mit dem Ed eine freundschaftliche
Beziehung pflegte. So etwas wie Vertrautheit von Mann zu Mann.“ Valerie verbarg
sich weiter hinter ihren angezogenen Beinen, während sie antwortete.
„Wenn wir einmal Vorsatz bei Monsieur Baumanns Tod
annehmen, wer wäre denn der Nutznießer?“ Vidal machte sich Notizen auf dem
Blatt Papier, das er auf dem Knie hielt. Er betrachtete angestrengt den
Filzstift. Valerie schwieg eine Weile und beobachtete Vidal über ihre Knie
hinweg, wie dieser den Filzstift fixierte.
„Einen wirtschaftlichen Nutzen habe ich, Monsieur le
Commissaire. Ist es das, worauf Sie hinauswollen?“
„Wenn wir eine Tötungsabsicht nicht ausschließen können,
ist es naheliegend, nach Motiven zu forschen.“ Er sah kurz vom Filzstift auf
und Valerie in die Augen. Anselm folgte diesem Blick. Valerie hatte schöne
Augen, mit großen, tiefschwarzen, von klaren weißen Augäpfeln umgebene
Pupillen. Es war kein Anzeichen von Rötung darin zu sehen, wie man es bei einer
vor Trauer weinenden Witwe hätte erwarten könnte.
„Sie widern mich an!“, sagte Valerie ruhig und ohne
nennenswerte Betonung. Dann stand sie auf und ging.
Beide Männer beobachteten ihren filmreifen Abgang. Anselm
meinte, in Luc Vidals Gesicht ein flüchtiges Grinsen entdeckt zu haben.
Valerie überlies es damit Anselm, die weiteren Fragen des
Polizisten zu beantworten, bis dieser unvermittelt die Befragung beendete und
sich verabschiedete. Anselm blieb im Türrahmen stehen und beobachtete Vidal,
der zu seinem Auto zurückging, dabei einige Male stehen blieb, aufmerksam
gärtnerische Details betrachtete und sich noch einmal umdrehte, um Belle
Lumière anzusehen, wie Touristen den Papstpalast in Avignon. Er winkte
Anselm, der ihn beobachtete, wie einem alten Freund zu. „Arschloch“, murmelte
Anselm, vermutete aber, dass Vidal ihn ebenfalls nicht sonderlich mochte.
Schließlich fuhr der Kommissar davon, Anselm war sich aber sicher, dass der an
der Einfahrt noch einmal halten und die Schließtechnik des Tors und die
Videoüberwachungsanlage unter die Lupe nehmen würde. Er selbst hatte dies auch
bereits getan und sich gefragt, ob auf den Videobändern nicht vielleicht die
Lösung des Rätsels zu finden sei. Sophie hatte ihn aber darüber aufgeklärt,
dass die Kameras abgestellt würden, wenn Ed und Valerie im Haus waren. Beide
mochten die Vorstellung nicht, von wildfremden Mitarbeitern des
Sicherheitsdienstes in ihrer Privatheit beobachtet zu werden.
Er fand Valerie schwimmend und verfolgte ihre geübten
Züge. Sie glitt durch das Wasser, wendete am Ende des Pools mit einer
geschmeidigen Drehung und kam zügig auf ihn zu, ohne dabei merklich den Kopf
aus dem Wasser zu heben. Am Beckenrand ließ sie abrupt die Beine nach unten
sinken, schob die Schwimmbrille ins Haar und
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