Grün war die Hoffnung
Augen auf. Es war eine Offenbarung. Ein Schock. Depeyster hatte graue Augen, wie sein Vater, und die Joannas schimmerten im reinsten, fürstlichsten Veilchenblau. Die Augen des Babys waren grün wie die einer Katze.
Lange Zeit blieb Depeyster im Korridor stehen. Er stand noch da, lange nachdem Schwester Deitz ihn allein gelassen und Feierabend gemacht hatte, lange nachdem die anderen stolzen Väter gekommen und wieder gegangen waren, er stand sogar so lange da, daß die Putzfrau um ihn herum aufwischen mußte. Er beobachtete das schlafende Baby, studierte sein Haar, das Flattern seiner Lider und das Ballen der winzigen Fäuste, während es von einem unergründlichen Traum in den nächsten glitt. Alles mögliche ging Depeyster dabei durch den Kopf, lauter Dinge, die ihn beunruhigten, ihm Magenschmerzen verursachten und ein nie gekanntes Gefühl der Leere.
Er war ein starker Mann, zielbewußt und zäh, ein Mann, der in der Geschichte zu Hause war und den Puls von Generationen in seinen Adern spürte. Er hatte diese Gedanken, diese beunruhigenden Gedanken nur einmal, nur während er vor dem Fenster stand, dann schob er sie weit weg, um sie nie wiederkehren zu lassen. Als er sich endlich doch von der Glasscheibe abwandte, lag ein Lächeln auf seinen Lippen. Und er behielt dieses Lächeln bei, während er den Korridor entlang, in die Vorhalle und durch die schwere Eingangstür schritt. Er stand draußen, auf den Stufen, die kühle, köstliche Luft blies ihm ins Gesicht, und der Sternenhimmel funkelte über ihm wie ein Segenswunsch, als ihm die Idee kam. Rombout , dachte er plötzlich, gepackt vom überwältigenden Griff der Inspiration, ja, so würde er ihn nennen, Rombout ...
Nach seinem Vater.
Hanser eBook
T. Coraghessan Boyle
Ein Freund der Erde
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Werner Richter
Carl Hanser Verlag
Die amerikanische Originalausgabe erschien
erstmals 2000 unter dem Titel A Friend of the Earth
bei Viking Penguin in New York.
Danksagung
Der Autor bedankt sich bei Marie Alex,
Russell Timothy Miller und Richard Goldman für Rat und Hilfe.
ISBN 978-3-446-23967-8
© T. Coraghessan Boyle 2000
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© Carl Hanser Verlag München Wien 2012
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch
Datenkonvertierung eBook: Beltz Bad Langensalza
Unser gesamtes lieferbares Programm
und viele andere Informationen finden Sie unter:
www.hanser-literaturverlage.de
www.tc-boyle.de
Für Alan Arkawy
Ein jeder Geist baut sich ein Haus und hinter seinem Haus eine Welt und hinter seiner Welt einen Himmel. Wisse also, daß die Welt für dich existiert.
Ralph Waldo Emerson, Natur
The earth died screaming
While I lay dreaming
Tom Waits, The Earth Died Screaming
PROLOG
Santa Ynez, November 2025
Ich verfüttere gerade Kraftkekse und Hühnerrücken an die Hyäne und tue mein Bestes, um nach dem letzten Unwetter einigermaßen aufzuräumen, als das Telefon klingelt. Es meldet sich Andrea. Meine Exfrau Andrea Knowles Cotton Tierwater, meine Ehegattin von vor tausend Jahren, als ich noch jung und kraftvoll und gnadenlos männlich war – die Frau, die sich damals, als wir noch glaubten, so etwas hätte einen Sinn, regelmäßig an Kräne, Bulldozer und siebenhunderttausend Dollar teure Holzharvestermaschinen ketten ließ, die Frau, die mir half, meine Tochter großzuziehen, die Frau, die mich in den Wahnsinn trieb. Verdammt noch mal. Wenn schon jemand von damals wiederauftaucht, wieso dann nicht Teo? Bei dem wäre es leichter – ihn könnte ich einfach umbringen. Peng. Dann hätte Lily auch gleich was anderes als Hühnerfleisch zum Abendessen.
Auf jeden Fall sind hier überall Bäume umgestürzt, und der Schlamm zerrt an meinen Gummistiefeln wie ein gierig saugendes Maul, das mich irgendwann bestimmt in den Abgrund reißen wird, aber einstweilen noch nicht. Mag sein, daß ich fünfundsiebzig bin und meine Schultern sich anfühlen, als wären sie mit Angelhaken an den Gelenken befestigt, aber die neue Niere, die sie mir eingesetzt haben, verrichtet ihre Klärfunktion ganz hervorragend, danke der Nachfrage, und ich kann immer noch besser arbeiten als die meisten der verzärtelten Halbidioten hier. Außerdem kann ich Dinge, die nicht jeder kann – ich bin ein Tierexperte, von denen sind heutzutage nicht mehr viele übrig, und Maclovio Pulchris, mein Chef, weiß das zu schätzen. Übrigens will ich hier nicht unnötig mit Namen um mich werfen, keineswegs – ich nenne nur die
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