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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Hyänen – aus dem Vorgang strikt ausgeblendet bleibt.
    Liebe , hat sie gesagt. Aus Liebe . Und wider Willen, trotz allem, was ich erfahren und erlitten hatte, trotz der Narben ihrer Krallen auf meinem Rücken, fühle ich mich jenen fatalen Moment lang schwach werden, und da weiß ich, daß sie mich erwischt hat.
    Ich starre in Lilys Gehege, der gesamte Regen des Universums tropft mir von der Krempe dieses albernen gelben Hutes und meiner übergroßen, demütigend langen Altmännernase, als ein Ruf vom Wind über den Hof getragen wird. Es ist Chuy, beleuchtet von einem phantastischen Blitzschnörkel, der mich zurückwirft in meine Tage der Batikhemden, von LSD auf Löschblatt, von Stroboskoplichtern in Tanzschuppen und Jane, meiner ersten Frau und ersten Liebe, aber Chuy ist nicht Jane, er ist Chuy, der keinen Nachnamen hat, weil er sich nicht mehr darauf besinnen kann seit dem Unfall beim Unkrautsprühen, der ihm sein Haar, seine Männlichkeit und das halbe Hirn geraubt hat und ihn ständig herumzappeln läßt wie eine Kakerlake auf dem Insektengrill. Er schleppt irgendwas hinter sich her, einen eingerollten nassen Teppich oder alte Zeitungen, der Regen verdeckt ihn in breiten grauen Bahnen, die an die ausgeschütteten Wassereimer in den alten Stummfilmkomödien erinnern – frühe Spezialeffekte also.
    »Ist ein Hund«, sagt Chuy keuchend durch den Ozean der Luft, und es stimmt, genau das ist es, ein Hund. Zwei, drei Tage lang tot, der Bauch schon ein bißchen aufgetrieben, eine Collie-Schäfer-Mischung, hab ihn noch nie gesehen, wenigstens ist es nicht der Patagonische Fuchs, das hätte gerade noch gefehlt. »Hab ihn tot im Gebüsch gefunden, Mr. Ty, und ich denke mir, ist vielleicht was para Lily zum Fressen, nein?«
    Ich, nachdenklich, alt, knochig und regengepeitscht: »Vergiftet? Denn wenn er...«
    Chuy linst zu mir hinauf, mein ganz privates Aufbauprojekt, sein Blick ist leicht bekloppt, er hat weder den Unterkiefer noch die Zunge unter Kontrolle, jeder Nerv gebraten und noch immer brutzelnd. »Nicht vergiftet, Mr. Ty, ist überfahren worden«, und er hebt das Hinterteil des Viehs, zeigt mir die zermanschten Beine und das gebrochene Rückgrat.
    Gut so, das kommt gerade recht, ein richtiger Bonus, und während wir gemeinsam den klatschnassen Kadaver auf Schulterhöhe heben und dann über den Drahtzaun wuchten, hinter dem sich Lily, neugierig geworden, aus dem Schlamm hochrappelt, muß ich schon wieder an Andrea denken und daran, welches Hemd ich anziehen und ob ich mir ein Jackett antun soll. Ich stelle mir uns beide an der Bar von Swensons Kneipe vor, ihr unbezwingbarer Blick und die vollkommenen Brüste, sie hat sich nicht verändert, denn Veränderung ist undenkbar, Andrea mit dreiundvierzig, einfach umwerfend, eine Wucht, schau mir in die Augen, Kleiner, und dann schnappt sich Lily den Hund, und alles, was ich noch höre, ist das Krachen der Knochen.
    Die Löwen haben ihr Pferdefleisch gekriegt, und die Großen Ameisenbären (Myrmecophaga tridactyla) bearbeiten ein paar halbverrottete Balken voller Formosa-Termiten, vermutlich ein ordentliches Mittagsmahl, da verfalle ich endlich auf die kluge Idee, zurück ins Trockene zu gehen. Inzwischen – es muß so vier, halb fünf sein – hat der Regen ein wenig nachgelassen, und auch der Wind, der in letzter Zeit ständig mit den maximalen zehn Beaufort zu blasen scheint, ist wohl etwas abgeflaut. Etwa auf – wie würde man das bezeichnen – Hutwegblasstärke? Volles Programm, starker Tobak, dabei fing der Schlamassel erst an. Böig. Stürmisch. Nicht ganz Orkanstärke. Er zerrt an der Kapuze meines Regenmantels, klatscht mir das nasse Vinyl ins Gesicht, ein Satz warme Ohren, und meine Brille rutscht mir den Nasenrücken rauf und runter, als wäre sie eingefettet. Es herrscht totales Chaos, kein Zweifel, jeder Schritt eine Tretmine, die Büsche sind zerfetzt wie alte Segel, die Bäume mittendurch und dann noch einmal gebrochen. Aber was geht’s mich an? Das überlasse ich Macs Gärtnern und dem masochistischen Schnösel von Landschaftsgestalter, der unverdrossen immer wieder auftaucht, sobald der Regen nur eine Stunde lang nachläßt – aber so wie die Humusschicht mit dem frisch gesäten Gras davongespült wird, ist mir völlig klar, daß wir während der Trockenzeit mitten in einer Wüste leben werden. Falls sie jemals kommt.
    Als Teil meiner Abmachung mit Mac bewohne ich ein Zwei-Zimmer-Gästehaus am äußersten Rand seines Grundstücks, direkt an der

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