Grün war die Hoffnung
das deshalb, weil keiner begreifen kann, warum Mac unbedingt die Hyänen retten will – in Lilys Fall die Schabrackenhyäne –, wo doch Geparden, Kaffernbüffel, Nashörner und Elefanten ausgerottet sind. Und was sag ich darauf? Weil es sie noch gibt, deshalb. Und wenn es uns nicht gelingt, Lily mit dem Sperma des einzigen überlebenden Männchens im Zoo von San Diego zu schwängern, klonen wir sie eben – und danach klonen wir die Klone, ad infinitum. »Ich will die Tiere retten, die sonst keiner haben will«, sagte Mac zu mir, als wir unser derzeitiges Arrangement aushandelten. »Die, die nur eine Mutter lieben kann. Ist das nicht cool? Ist das nicht selbstlos und cool und mutig?« Ich antwortete, das sei es wohl. Und so wurden wir die Pfauen und die Vietnamesischen Hängebauchschweine los, ebenso die Hunde und Katzen und Ziegen und so weiter, und konzentrierten uns auf die weniger schillernden Viecher dieser Welt, die Warzenschweine, Pekaris, Hyänen und Schakale, die drei Löwen als Dreingabe, der Aufregung halber. Mac hört sie gern husten und brüllen, wenn er nachts heimkommt. Wenn er überhaupt in der Stadt ist. Was herzlich selten der Fall ist zu dieser Zeit des Jahres.
Jedenfalls schießt mir Lily durch den Kopf, als Andrea sich vorbeugt und mich fragt, wie das so ist, für Maclovio Pulchris zu arbeiten. Wir sitzen jetzt im Speisesaal bei Kerzenschein und warten auf unser Essen, mittlerweile tief eingetunkt in Sake und zu zivilisiert – oder zu alt –, um uns unser kleines Wiedersehen von der ganzen Bitternis der Vergangenheit versauen zu lassen. Ich quatsche über Mac und wie er gern die Nacht durchmacht, sich mit einer Flasche Champagner und seiner momentanen Flamme in den Garten setzt und den Ameisenbären beim Schnarchen zuhört, während Lily in ihrem Käfig umherpirscht und sich über die Ratten amüsiert, die sie mit ihren vierkralligen Pfoten erwischt. Und dann bin ich überhaupt bei Lily, bei der Perfektion ihres Verdauungstrakts, ihrem (dank der zermahlenen Knochen) kalkhaltigen Stuhlgang; bei den überfahrenen Viechern, die wir ihr bei Gelegenheit verfüttern – meist Opossums, auch so eine r-Selektion –, als Andrea sich präventiv räuspert.
Ich senke verlegen den Kopf – die glänzende kahle Kuppel meines Kopfes (Flow it, show it/ Long as God can grow it/ My hair) . Sauge an dem metallischen Flickwerk meiner Seniorenzähne. Spiele mit dem Sakeglas herum. Ich quatsche permanent, seit wir uns hingesetzt haben – und warum? Weil ich trotz meines Heldenmuts vorhin, trotz meiner Machophantasien, mal eine alte Goldader anzubaggern, ihren Körper in irgendeinem überheizten Motelzimmer auszubeuten und sie dann abzuschreiben, gute Nacht, Wiedersehen und danke für die meisterlichen Lippenabdrücke, doch wieder von ihr fasziniert bin, körperlich und nervlich völlig geschafft, dennoch innerlich bereit, aufgeschlitzt und noch einmal geopfert zu werden. Ich bin nervös, das ist es. Und wenn ich nervös bin, kann ich den Mund nicht halten.
»Erinnerst du dich an ein Mädchen namens April Wind – sie war in Sierras Alter?« Andrea beobachtet mich, sucht nach dem Riß in meinem Gesicht, in den sie den ersten Haken treiben kann, um den Aufstieg zu meinem armen zitternden Hirn in Angriff zu nehmen. Von mir kriegt sie zunächst mal nichts. Gar nichts. Meine Augen sind aus Glas. Mein Gesicht eine Skulptur von Oldenburg, monumental und undurchdringlich. Sierra – die berühmte Sierra Tierwater, Märtyrerin für die Sache der Bäume – ist meine Tochter. War meine Tochter. Von April Wind hab ich noch nie gehört. Hoffe ich zumindest.
»War damals zu Anfang der Baumbesetzung mit dabei, im Sommer 2001?«
Da springen bei mir sämtliche Alarmsensoren an – ich hätte zu Hause bei meiner Hyäne bleiben sollen, hab’s ja gewußt. Ich bin verletzt. Und einsam. Und alt. Ich hab keine Zeit für so was. Aber Andrea wird weitermachen, garantiert – wenn ich eins über sie weiß, dann das. Irgendwas geht hier vor – etwas, was mir überhaupt nicht gefällt, und sobald sie damit rausgerückt ist, wird sie sich praktischeren Dingen zuwenden – sie braucht Geld, Essen, Kleidung, Medikamente, muß unbedingt eine Zeitlang bei mir wohnen, ein paar Wochen, einen Monat, sie braucht mich, will mich wiederhaben, und plötzlich wird sie sich vorbeugen, und wir werden uns küssen, mit Sushi auf den Lippen, und sie wird unter dem Tisch die Hand ausstrecken und mich an dem einen Ort packen, wo ich noch verwundbarer
Weitere Kostenlose Bücher