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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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auf einmal einen Druck auf dem Arm spüre. Es ist ihre Hand, Andreas Hand, das Gefühl, wie sie sich um meinen Bizeps legt, unwiderruflich wie die Geschichte, und was kann ich schon tun, als aufzusehen zu ihrem neuen Gesicht, diesem Gesicht, das wie feuchter Ton über jenem anderen modelliert wurde, das glasiert und gebrannt auf dem Regal in meinem Kopf steht. »Hallo, Ty«, sagt sie, im Eimer plätschert es leise, die zum Schneiden dicke Luft wird von den plärrenden Lautsprechern zerfetzt, die Gäste brabbeln, und ihr beharrlicher Blick hält mich fest. Mir fällt nichts ein. Shiggy schlendert vom anderen Ende des Tresens zu uns, riesenhaft in seinem Hawaiihemd, auf den Lippen die klassische Barkeeperfrage, und dann lächelt sie wie die Sonne, die sich über den Hügeln erhebt. »Hübsche Mütze«, sagt sie.
    Sofort reiße ich sie mir vom Kopf und drehe sie verlegen hinter dem Rücken.
    »Aber Ty« – ein Lachen –, »du hast ja eine Glatze!«
    »Was darf es sein für die Lady?« schreit Shiggy durch den Lärm, und ehe ich noch ein Wort an sie gerichtet habe, wende ich mich an ihn, einen Ignoranten, mit dem ich jeden Tag reden könnte. »Sake on the rocks«, sage ich zu ihm, »außer sie zahlt selber – und ich nehme auch noch einen.« Die Transaktion schenkt mir eine Minute, um mich zu sammeln. Es ist Andrea. Sie ist es wirklich, hier neben mir, in Fleisch und Blut. Die Freude, so rufe ich mir ins Gedächtnis, ist untrennbar verbunden mit ihrem angetrauten Gefährten, dem Schmerz. »Wir werden alle älter«, rufe ich und drehe mich mit den Drinks in der Hand zu ihr um, »wenn wir Glück haben.«
    »Und ich?« Sie tritt ein Stück zurück, wie auf einer Bühne, und hebt theatralisch die Arme. Im ersten Moment denke ich, sie dreht gleich eine Pirouette. Aber ich will hier nicht allzu zynisch klingen, denn es ist lange her, und sie sieht gut aus, sehr gut sogar, acht oder neun auf einer Skala bis zehn, alles in allem. Ihr Mund zieht sich in ein Körbchen aus Furchen und Fältchen zurück, als das Lächeln verblaßt, die Augen haben weniger Farbe und Glanz als in meiner Erinnerung, und sie treten kaum merklich hervor – aber was soll die Haarspalterei? Sie war damals eine Schönheit, und sie ist es noch heute.
    »Du siehst toll aus«, sage ich, »und das rede ich nicht nur so dahin – es stimmt. Du siehst... ich weiß nicht, zum Anbeißen aus. Bist du zum Anbeißen?«
    Das Lächeln kehrt zurück, aber nur eine Sekunde lang, es blitzt über ihr Gesicht wie vom Wind verweht, der jetzt die Fenster scheppern läßt – und zwar hörbar, trotz des Höllenlärms in der Kneipe und meines lädierten Gehörs (das Jimi Hendrix und The Who vor sechzig Jahren zugrunde gerichtet haben). Sie trägt ein geblümtes Kleid mit Rüschen an den Ärmeln, tief ausgeschnitten natürlich, hat einen halben Zentimeter Make-up aufgelegt, und das – pechschwarz gefärbte – Haar liegt schwer auf ihren Schultern. Sie fixiert mich mit diesem halb verträumten, halb berechnenden Blick ihrer großen Augen, den ich so gut kenne – oder jedenfalls kannte. »Können wir irgendwo miteinander reden?«
    Die meisten Menschen haben keinen Bezug zu Hyänen. Kommt das Gespräch auf Hyänen, starren sie einen ratlos an, als wäre von mythischen Wesen die Rede – was sie heute praktisch auch sind. Die Gebildeteren erinnern sich vielleicht an die alten Naturfilme, in denen Hyänen sich rudelweise über einen Kadaver hermachen oder dem neugeborenen Weißschwanzgnu die Gedärme zerfetzen und es in blutige Stücke reißen, bevor noch der Blick in seinen Augen erloschen ist, aber das ist alles, woran sie sich erinnern, an die Häßlichkeit und den Tod. Ich kannte mal einen afrikanischen Großwildjäger (Philip Ratchiss, von ihm später mehr), der minderwertige Elefanten ausmerzte im Auftrag der Regierung von Sambia, als es noch eine Regierung von Sambia gab, und der hatte etliche unangenehme Begegnungen mit allen drei Hyänenarten. Als er im Alter nach Kalifornien ging, nahm er seinen Flintenträger mit, einen Senga namens Mag oder Mug – hab’s mir nie merken können –, dem eine Hyäne das Gesicht abgezogen hatte, als er eines Abends besoffen am Lagerfeuer eingenickt war. Ratchiss kaufte ihm ein paar gute Hosen und Polohemden und schickte ihn zu einem Zahnarzt, aber von kosmetischer Chirurgie wollte Mag – oder Mug – nichts wissen. Ein Auge und die Ohren waren ihm geblieben. Der Rest des Gesichts ähnelte einer großen Dörrpflaume.
    Ich erzähle

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