Grün war die Hoffnung
oder die Welt, wie sie früher war – nicht mehr wissen, als ihre Computer sie wissen lassen.
Na schön. Machen wir es kurz. Wir schreiben das Jahr 2025, ich heiße Tyrone O’Shaughnessy Tierwater, ich bin fünfundsiebzig und halb irisch-katholisch, halb Jude. Geboren wurde ich in dem wohlhabendsten Vorort der größten Stadt der Welt, zu einer Zeit, als es noch keine Versorgungsengpässe gab, jedenfalls nicht in diesem Land, keine Unwetter (außer den normalen), keinen sauren Regen und genügend Wildnis und dichten Urwald, wo man tief durchatmen konnte. Momentan bin ich auf dem Weg zu meiner Exfrau Andrea, um mit ihr eine Portion Wels-Sushi aus dem Zuchtteich zu probieren, ein paar zu heben und vielleicht sogar mit ihr ins Bett zu hüpfen, um der guten alten Zeiten willen. Oder aus Liebe. So hatte sie es doch ausgedrückt? Aus Liebe ? Die Scheibenwischer bewegen sich im Takt zu meinem arrhythmisch schlagenden Herzen, dem Wind platzen bald die Backen, und der fette Olfputt-Geländewagen stampft wie ein Schiff auf hoher See – und in meinem Kopf habe ich, festgeklebt wie ein Kaugummi an der Schuhsohle, den Fetzen eines Schlagers von vor so langer Zeit, daß ich gar nicht mehr weiß, wie er hieß oder wo ich ihn aufgeschnappt habe. Down the alley the ice wagon flew... Arlene took me by the hand and said, Won’t you be my man?
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Der Parkplatz ist überschwemmt, das sanft schwappende, kackbraune Wasser steht gut einen halben Meter hoch, und das war’s wohl für meine Cowboystiefel – die ich nur aus Eitelkeit angezogen hab, dabei hätten es die Gummitreter ebensogut getan. Ich sitze eine Minute lang da und verfluche meine Blödheit, während die trüben mickrigen Lämpchen von Swensons Kneipe durch den Schleier der regenschlierigen Windschutzscheibe locken. Der benachbarte mexikanisch-chinesische Imbiß ist dauerhaft mit Sandsäcken gesichert und duster wie eine Höhle, dafür stehen die Computerwerkstatt und der Supermarkt gleich daneben in luftiger, trockener Höhe auf drei Meter langen Stützpfählen, die aus dem gebrochenen Hafendamm von Gaviota stammen. Der Regen prasselt jetzt stärker herab – logisch – und spielt Schlagzeug auf dem Dach des Geländewagens, der Wind rüttelt kontrapunktisch an der Fahrerkabine und packt alles, was nicht niet- und nagelfest ist, um es an ein geheimes Ziel zu tragen, zum Friedhof der fortgewehten Sachen. Hier oben in den Hügeln, wo sich die Unwetter gerne festsetzen, nachdem sie vom Meer heraufgerast sind, ist jedes Dach mit Stahltrossen gesichert, und in die Firma, die das anbietet, sollte man sein Geld stecken – »Bombenfest, der Fachmann fürs Dach«, mit Langzeitgarantie. Natürlich ist alles, was ich je zum Investieren besaß, jeder Penny, den ich mal verdient habe, und alles, was mir mein Vater hinterlassen hat, an Andrea und Teo und meine glutäugigen Kumpane von Earth Forever! gegangen. (Nie davon gehört? So eine radikale Umweltgruppe in den Achtzigern und Neunzigern. Bekannt für das Spicken von Bäumen mit Stahlnägeln. Öko-Sabotage. Earth Forever! Fällt der Groschen?)
Sie dauert lange, diese Minute; ich kaue die Dinge durch und zögere das Unvermeidliche hinaus, wie es alte Leute eben tun (dabei bin ich so alt auch nicht, bei all dem medizinischen Fortschritt, der über uns hereingebrochen ist – persönlicher DNA-Code, Telomerasebehandlungen und Epidermisauffrischungen, die ich dank der Großzügigkeit von Maclovio Pulchris reichlich genutzt habe), und dann denke ich mir: Zum Teufel mit der Würde, ziehe die Stiefel aus, stopfe die Socken tief in die Spitzen hinein und rolle die Hose an meinen dürren Beinen hoch. Bis zu den Schienbeinen tauche ich ein in das badewannenwarme Wasser, klemme mir die Stiefel unter den Regenmantel, ziehe die Baskenmütze gegen den Wind in die Stirn, und los geht’s über den Parkplatz. Fast macht es sogar Spaß, das Planschen, soviel Wasser dort, wo es nicht hingehört, und es erinnert mich an ein Erlebnis vor fünfundsechzig Jahren, den Hurrikan Donna und einen schulfreien Tag in Peterskill, New York, auch so eine Riesenplanscherei. (Früher dachten die Leute ja, der Zusammenbruch der Biosphäre wäre das Ende von allem, aber weit gefehlt! Genau das Gegenteil ist der Fall – es gibt einfach von allem noch mehr: mehr Sonne, Wasser, Wind, Staub und Schlamm.)
Ich stehe unter der Behelfsmarkise (dickes Stahlblech, aufgeschweißt auf Stahlpfeilern, die mit Betonsockeln im Boden
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