Grün war die Hoffnung
von Andreas Taschenlampe quer über die schmalste Stelle der Straße zieht. Nach gängigen Maßstäben ist es keine besonders großartige Straße, aber immerhin wurde sie vermessen, gerodet, geschottert und planiert, und sie bringt die Schwermaschinen zu den Bäumen. Keine Frage – das Holzfällen muß gestoppt, eine Grenze gezogen werden. Und zwar hier. Genau hier. Den Platz haben unsere Freunde aus der Gegend gut gewählt , denkt er, auf seine Schaufel gestützt, und starrt in die Nacht empor, wo sich rechts und links zwei dunkle Festungen aus Fels, jetzt nur als Ausblendungen des Sternenhimmels sichtbar, über der Straße auftürmen: wenn man hier eine Blockade schuf, gab es keine Ausweichmöglichkeit.
Sie sind müde, alle vier. Erschöpft, zerschlagen, zombifiziert. Obwohl sie den Nachmittag hindurch im Rest Ye May Motel verdöst und aus gezuckerten Doughnuts und wieder aufgewärmtem Kaffee vom Schnellimbiß Energie getankt haben, fordern der Marsch, die ungewohnte Schwerarbeit und die späte Stunde allmählich ihren Tribut. Andrea und Teo sind irgendwo im Gebüsch und streiten wegen irgend etwas in knappen, explosiven Atemstößen, die die Luft treffen, als wäre sie ein Körper. Sierra, die sonst zu allem eine Meinung hat, ist ungewohnt still, ein Schatten, der auf einem Stein am Wegesrand hockt – sicher will sie die Welt retten, aber nicht um diese Uhrzeit. Er kann es ihr kaum verdenken. Auch er ist ausgelaugt, spürt es in den Beinen, in den Schultern und dem heiklen Knie, und wenn er etwas anderes als den Sternenhimmel ansieht, wuseln chaotische Pünktchen und Flecken durch sein Gesichtsfeld wie zuckende Pantoffeltierchen unter dem Mikroskop. Aber sie sind noch nicht fertig. Jetzt noch das Wasser. Auch hier haben ihre Kampfgefährten eine gute Wahl getroffen: Augen zu und Ohren auf! Richtig. Das Geräusch, das er seit längerem hört, ist nicht das Brausen einer Fernstraße oder das Knistern einer verstaubten Plattenspielernadel – es ist Wasser, das gedämpfte Gurgeln eines Baches, der keine zwanzig Meter die Straße hinauf in einem Rohr verschwindet. Dazu sind die Eimer da – um das Wasser zum Graben zu schleppen und den Beton anzumischen. Sie sind beinahe am Ziel.
Aber noch nicht ganz. Es scheinen Unklarheiten wegen des Betons zu bestehen, über den Anteil des beizufügenden Wassers, und hat eigentlich irgendwer von ihnen – einschließlich ihm selbst, dem Sohn eines Baumeisters und seit neununddreißig Jahren auf der Welt – schon mit Beton gearbeitet? Hat einer von ihnen je eine Mauer gebaut, einen Plattenweg gelegt, Ziegel geschichtet? Teo hat mal zwei mexikanischen Arbeitern dabei zugesehen, wie sie die Liegefläche rings um den Pool eines Eigenheims anlegten, aber da war er noch ein Kind, und das ist lange her. Soweit er weiß, kippten sie die Säcke einfach in einen handbetriebenen Mischer und fügten Wasser aus einem Schlauch zu. Also brauchte man einen Betonmischer, oder was? Andrea glaubt sich daran zu erinnern, wie sie mit ihrem Vater auf der Ranch in Montana Zaunpfähle einbetoniert hat, und Tierwater hat ein vages Bild davon, wie sein Vater auf einer jener Baustellen Dynamitstangen plaziert hat, danach flogen Steine durch die Luft, rums, aber was Beton angeht, hat er keine Ahnung. »Ich glaube, man kippt einfach die Fertigmischung in den Graben, verteilt sie einigermaßen und fügt dann Wasser zu, bis man die richtige Konsistenz hat«, faßt er mit der ganzen Autorität eines Studenten zusammen, der zweimal in Chemie durchgeflogen ist.
Andrea ist skeptisch. »Klingt wie ein Rezept für Kuchenteig.«
Teo: »Was heißt denn Konsistenz? Klar, das Zeug bindet schnell ab, aber wenn wir es zu flüssig anrühren, wird es nie in zwei Stunden fest, und mehr Zeit haben wir nicht.«
Sierra stöhnt entnervt auf. »Ich fasse es einfach nicht – ich meine, ihr seid drei Erwachsene, und wir latschen den weiten Weg hier raus, alles prima geplant und so, und keiner von euch weiß, wie das geht? Kein Wunder, daß meine Generation am Ende nichts als eine Wüste erben wird.« Er hört das geplagte Klatschen ihrer knochigen Hände, mit dem sie Moskitos exekutiert. »Noch dazu bin ich müde. Echt monstermäßig müde. Ich will nach Hause in mein Bett.«
Er denkt die Sache durch. Wie schwer kann es schon sein? Die Leute, die so was beruflich machten – also, betonieren –, waren jakaum mit Genies zu verwechseln. »Was steht denn drauf? Ist eine Gebrauchsanleitung auf dem Sack?«
»Kneif ein Auge
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