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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Bescherung beugte, bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Jane, die perfekte Mutter, entweder abwesend oder besinnungslos war. Sie fühlen sich... gar nicht so übel an, einstweilen jedenfalls. Wie Unterwäsche, wie Slips, nur dicker eben.
    Und nun, zu guter Letzt, ist es soweit, das Ritual abzuschließen und Platz zu nehmen, um nach den Moskitos zu schlagen, in unruhigen Schlaf zu fallen und auf die ersten erstaunten Waldis (die Waldhütertypen von der Forstbehörde) und die Fahrer der Schwermaschinen zu warten. Sie reichen einander die Hände, um das Gleichgewicht zu halten, versenken ihre billigen Turnschuhe in den weichen Beton, so tief es geht, und lassen sich dann auf den Böden ihrer umgedrehten Eimer nieder. Es wird ihm dreckig gehen. Sein Kopf wird niedersinken, sein Rücken wird jaulen. Er wird Moskitos anlocken und sich in die Hosen scheißen. Aber das bedeutet nichts. Ein kleines Opfer, ein Abend weniger mit einem Buch im Bett oder von der Glotze betäubt – das und ein paar Stunden körperlichen Unbehagens. Und während er einsinkt, während der Beton seine Knöchel umfängt wie ein dunkler Mund, die Sterne in die Schädelhöhle des heller werdenden Himmels zurückweichen und jeder Vogel auf jedem Baum erwacht, sagt er sich: Jemand muß es ja tun.
    Er muß eingenickt sein. Ja, er hat gedöst – geschlafen wäre wohl zutreffender. Vorgebeugt auf die Knie, hat er den Kopf auf die Arme gebettet und ist in tiefe Bewußtlosigkeit gesunken, weil es keinen Sinn hatte, irgend etwas anderes zu tun, trotz aller Sorgen und Ängste – vor acht oder frühestens halb acht würde nichts passieren, also verdrängte er all das aus seinem Denken und orchestrierte seine Träume so, daß sie sich um einen Mann im Bett drehten, einen Mann wie ihn, dünn wie ein Grashalm, aber breit in den Schultern, ohne nennenswerten Bauch oder Hintern, die ersten zaghaften Finger von Haarverlust massieren seinen Schädel, der Mann lag in einem klimatisierten Zimmer in seligem Non-REM-Tiefschlaf, so etwas wie Die Vögel von Respighi spielte leise im Hintergrund.
    Und wovon erwacht er? Ist es das röchelnde Spotzen eines schlecht eingestellten Pickups, der auf der Straße herandonnert, das abrupte spöttische Keckern eines Raben oder die unmerkliche Alarmglocke im Tonfall seiner Tochter, leise und ruhig und mit ganz tiefer Stimme sagt sie: »Äh... Dad? Dad, wach auf!« Egal, was es ist, es reißt ihn explosionsartig von dem schmalen Hocker des Eimerbodens hoch, wie ein Taucher, der aus tiefster Tiefe emporschießt, und er versucht die Beine zu heben, will aufspringen und losrennen, dem Hämmern in seiner Brust entfliehen. Doch seine Füße stecken fest. Und sein Körper, sein Oberkörper, schwankt haltlos nach vorn, während das Bild des orangefarbenen Lieferwagens mit grinsender Stoßstange und der anonymen Maske einer verglasten Fahrerkabine die Straße entlang auf ihn zurast, auf sie zurast – aber das Kniegelenk ist nicht dafür konstruiert, in diese Richtung nachzugeben, und so fällt er im kritischen Moment – Verfluchte Scheiße, das Arschloch wird uns umnieten! – wieder nach hinten und plumpst schwer und unelegant auf den Eimer, der noch dazu unter ihm wegrutscht. »Halt!« schreit er, »haaalt!«, vor einem Hintergrund aus Gekreische und Protest, und irgendwie ist er wieder auf den Beinen, tastet nach links, nach seiner Tochter, um sie an sich zu ziehen und vor dem Aufprall zu schützen... der Gott sei Dank nicht eintrifft.
    Über Windeln würde er nur ungern sprechen, nicht in diesem Zusammenhang. Lieber spricht er über die drei Holzfällertypen mit dichten Vollbärten und roten Hosenträgern, die sich in der Kabine dieses Pickups drängen, jenes grellorangen Toyota-Vierradantriebs, der in einer dämonengehetzten Staubwolke keine drei Meter vor ihnen zum Stehen kommt. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern – diesen Halb-acht-Uhr-morgens-Gesichtern, die Egg McMuffins in ihren Bäuchen sind noch warm, brühendheißer Kaffee ist ihnen zwischen die Beine geschwappt, ihre Mützenschirme sitzen schief, und die Augen kriechen in ihren Gesichtern herum wie Nacktschnecken. Es ist ein Blick von schier außerirdischem Erstaunen. (Man mache diesen Männern keinen Vorwurf – jedenfalls einstweilen noch nicht. Sie haben hier nicht mit uns gerechnet – sie haben mit gar nichts gerechnet, außer vielleicht mit einem verspäteten Coyoten oder einem selbstmörderischen Erdhörnchen – und auf einmal tauchen wir auf, wie eine göttliche

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