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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einen – da kannst du drauf wetten.«
    Es sind fünfzehn Kilometer Fußmarsch, sie haben sich dafür dreieinhalb Stunden bei recht flottem Tempo gegeben, ohne Pause zum Rasten oder für akademische Erörterungen über Nadelhölzer oder Eulenrufe, ihre Mützen sind tief ins Gesicht gezogen, jeder trägt auf dem Rücken seine Wasserration im Ledersack, fett und geschmeidig wie ein überfütterter Säugling. Außerdem schleppt jeder einen der Eimer aus unzerstörbarem Hartplastik, in denen Dunn & Edwards oder Colortone Dispersionsfarbe en gros verkaufen. Die Eimer sind leer und wiegen so gut wie nichts, aber unhandlich sind sie trotzdem, weil ihm das Ding am Schienbein reibt und dauernd außen gegen sein schlimmes Knie stößt, genau über der Kerbe, wo damals das Arthroskop eingeführt wurde, außerdem scharren und quietschen sie mit kunststoffmäßigen, nicht für diese Welt geschaffenen Geräuschen. Wenigstens wird nicht mehr geredet, nicht seitdem sie die Zehn-Kilometer-Grenze überschritten haben, die praktischerweise von einem winzigen E.F.!-Leuchtaufkleber am massigen schwarzen Stamm einer zum Tode verurteilten Douglastanne markiert wurde – ein Baum, der seine Wurzeln hier fünfhundert Jahre vor dem Tag schlug, an dem Kolumbus auf einer sonnigen kleinen Insel in der Karibik das Monster der Technologie freisetzte.
    Aber für Predigten hat Tierwater nichts übrig. Er will nur erklären, was in jener Nacht geschah, die sich in ihn gebohrt hat wie ein Widerhaken, wie eine Kugel, die zu dicht neben dem Knochen steckt, als daß man sie entfernen könnte, und wie diese Nacht damals den Beginn markierte, den wahren Beginn all dessen, was noch folgen sollte.
    Also gut.
    Als sie eintreffen, ist es noch dunkel, Viertel nach vier auf seiner Uhr, und die Säcke mit Fertigbeton – dreißig Stück – warten schon auf sie, keine drei Meter neben der Straße. Andrea bemerkt sie als erste im mattroten Schein ihrer Taschenlampe – Wachtposten oder nicht, es wäre Wahnsinn, hier mit Strahlern herumzuleuchten, und rotes Licht, so hat sie erläutert, zerstört die Nachtsicht nicht so wie grelles Weiß. Schweigend wuchten sie den Beton auf die Straße hinauf – alle vier, auch Sierra, obwohl für sie die Dreißigkilosäcke eine beachtliche Last darstellen. »Sei nicht albern, Dad«, sagt sie, als er sie fragt, ob sie das schafft – sie flüstert es vielmehr, flüstert mit belehrendem Tonfall: »wenn in Burma ein Bauer oder Kuli oder so, der kaum mehr wiegt als ich, von früh bis spät Sechzigkilosäcke mit Reis buckelt und dafür um die zweiunddreißig Cents pro Tag kriegt, dann kann ich das hier auch schleppen.«
    Er will etwas antworten, um die Spannung zu lockern, die keiner außer ihm zu spüren scheint, etwas über die Burmesen – »Kriegen sie nicht sechsunddreißig Cents pro Tag, zumindest die, die Glück haben?« –, aber die sind ihm ebenso fremd wie die Kopfjäger im Tal von Rajang, und so bringt er nicht mehr zustande als ein »Na, dann viel Spaß«, das er in den Ärmel seines schwarzen Sweatshirts knurrt. Schon bückt er sich nach dem nächsten Sack, preßt ihn gegen die Brust und steht aus der Hocke auf wie ein Gewichtheber. Hie und da dringt ein Keuchen aus der Dunkelheit und das dünne Sirren der ersten neugierigen Moskitos.
    Neben dem Beton liegen noch zwei Schaufeln und eine Spitzhacke im Gebüsch versteckt. Wortlos packt er die Hacke, und als er die Hände um den glatten Eichenholzschaft schließt, das Werkzeug über den Kopf hebt und dann in die nachgiebige Haut der Straße treibt, fühlt er sich sofort besser. Allein daß der Beton und die Geräte überhaupt hier sind, ist Grund zur Freude – sie haben Verbündete, Mitstreiter, Wasserträger, Fußsoldaten –, und er läßt sich von diesem Wissen besänftigen, seine Schultern arbeiten, der Atem kommt in gepreßten Stößen. Die Nacht ballt sich zusammen. Die Spitzhacke hebt und senkt sich. Er könnte irgendwo sein, ein Petunienbeet, einen Kartoffelkeller oder ein Grab ausheben, und gerade als er sich fragt, ob es sich um ein Entkörperungserlebnis handeln kann, ergreift Andrea seinen ausholenden Arm. »Das ist genug, Ty«, flüstert sie.
    Als nächstes das Schaufeln. Er und Teo wechseln sich dabei ab, die aufgelockerte Erde aus dem Graben in die Büsche zu schaufeln, und bald haben sie eine Furche geschaffen, die knapp einen halben Meter tief, sechzig Zentimeter breit und fast vier Meter lang ist, eine saubere schwarze Linie, die sich im rosigen Schein

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