Grün war die Hoffnung
Börsenspekulanten und die andern Schnösel in New York sich einen Dreck um euch oder eure Kinder oder die Sägewerke oder die Bäume oder irgendwas anderes scheren?«
»Oder um eure Rente«, wirft Teo noch ein. »Was ist mit der Rente? Hä? Ich versteh dich nicht. Rede mit mir. Sag was, Mann, los doch: rede mit mir !«
Er hält nicht viel vom Reden, der Mann, und vom Reden mit Umweltschützern schon gar nicht. Eine lange Weile starrt er die Szene einfach nur an – Tierwater, Sierra, Andrea und Teo, die sich an den Händen fassen, und den befremdlichen Betonstreifen, der sie an den Knöcheln festhält. »Ich scheiß auf euch«, sagt er schließlich, und in einer konzertierten Aktion quetschen sich er und seine Kollegen wieder in den Wagen, dessen Motor gleich darauf röhrend anspringt. Reifen und Keilriemen quietschen, dann ist der Rückwärtsgang drin, der Wagen ruckt herum und donnert auf der Straße zurück in die Richtung, aus der er kam. Zurück bleibt eine Staubwolke. Und die Moskitos. Und die Sonne, die sich durch die Bäume bohrt und die ersten strahlenden Eindrücke auf ihren Gesichtern, ihren Händen und ihrer glanzlosen schwarzen Baumwoll-Polyester-Kleidung hinterläßt.
»Ich habe Hunger. Ich bin müde. Ich will nach Hause.«
Seine Tochter hockt auf ihrem Eimer, schlaff wie ein wirbelloses Tier, und sie hat ja versucht, Mut aufzubringen, eine Erwachsene zu sein und zu zeigen, daß sie genausogut eine Barrikade halten kann wie die anderen, aber sie schafft es nicht. Die Sonne brennt bereits heiß, obwohl es auf Tierwaters Uhr gerade erst zehn vorbei ist, und sie haben längst ihre Sweatshirts abgelegt. Die Mützen tragen sie noch, als Sonnenschutz, sie haben aus den Wassersäcken getrunken und die Sandwiches verzehrt, die Andrea in weiser Voraussicht mitgebracht hatte, und jetzt bleibt nur noch das Warten. Das Warten auf die Konfrontation, den Höhepunkt, die Reporter und Fernsehteams, den Sheriff und seine Deputys. Tierwater stellt sich die Gefängniszelle vor, kühle Schatten, die über die Wände tanzen, das Geräusch einer Toilettenspülung, ein Feldbett, um sich darauf auszustrecken. Und dort werden sie gerade mal ein Schläfchen halten können, keine Angst, kein Problem, die Ereignisse werden sich überstürzen – sie werden auf Kaution frei sein, ehe der Nachmittag vorbei ist, die E.F.!-Anwälte stehen in den Startlöchern, jeder ist auf seinem Platz. Das heißt: bis auf den Sheriff. Was den wohl aufhält?
»Wie lange noch, Andrea? Wirklich. Weil ich es wissen will, und komm mir nicht so von oben herab.«
Er möchte ihr sagen: Ist ja okay, Kleines, es ist bald vorbei , aber er ist nicht allzugut im Trösten, nicht einmal, wenn es die eigene Tochter ist – Kopf hoch, das ist seine Devise. Zähne zusammenbeißen. Immer an die Mohawk denken, die, wenn sie gefangengenommen wurden, das Messer verlachten und der systematischen Zerlegung des eigenen Körpers applaudierten, vor Freude juchzten, während ihnen die Haut in blutige Streifen heruntergeschnitten wurde. Er überläßt es Andrea, Sierra Mut zuzugurren, mit einer Stimme wie Heilsalbe. Benommen sieht er zu, wie Andrea Sierras Vampirroman (der sich unter den Umständen nicht schaurig genug erwiesen hat) gegen ein Heft mit Kreuzworträtseln auswechselt.
Teo am anderen Ende der Reihe ist der Stoiker in Person. Er hockt auf seinem umgedrehten Eimer wie ein Mann, der in der Intimität des eigenen Badezimmers auf dem Thron sitzt, nur daß seine Blicke hier den Wald auf der Suche nach Tieren durchstreifen, statt die Schlagzeilen der Zeitung zu überfliegen, er fühlt sich ganz wie zu Hause, gelassen und restlos bereit, die Märtyrerrolle auf sich zu nehmen, wenn sie ihm denn zufallen sollte. Tierwater spielt nicht in seiner Liga und wäre auch der erste, das zuzugeben. Zum einen jucken seine Füße – ein drängendes, gebieterisches Jucken, das ihm Tränen in die Augen treibt –, und der Beton, der immer noch unmerklich aushärtet, beißt sich inzwischen durch den Panzer der doppelten Socken und der steif gewordenen Jeans in seine Knöchel. Außerdem hat er höllische Kopfschmerzen, die Sorte, die hinter den Augen anfängt und sich mit einem Pulsieren so rhythmisch und regelmäßig wie gegen den Strand brandende Wogen durchs Großhirn in den Hinterhauptlappen und wieder zurück frißt. Und er muß urinieren. Schlimmer noch, er fühlt Stuhldrang herannahen.
Eine weitere Stunde verstreicht. Er hat versucht zu lesen – The End of Nature von Bill
Weitere Kostenlose Bücher