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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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als er endlich eintraf? Ließ er den Kerl auf der Planierraupe einbuchten? Ließ er das Unternehmen stoppen, damit das Gericht entscheiden möge, ob es legal war, einfach eine Schneise durch ein Waldstück zu schlagen, wo laut Unterlagen keine Straße zu sein hatte? Nein. Er legte die vier in Handschellen – sogar Sierra –, und seine Hilfssheriffs hatten einen Heidenspaß dabei, ihnen die Strickmützen vom Kopf zu reißen, sie zusammenzuknüllen und in den Bach zu schleudern, und dann ließen sie sie einen Blick in den Spießerhimmel werfen, durchschnitten die Riemen der Wassersäcke und pfefferten sie den Mützen hinterher. Zu guter Letzt verschafften sich dieselben pausenlos grinsenden Beamten noch einen kleinen Kitzel, indem sie unter Tierwater, seiner Frau, seiner Tochter und seinem guten Freund nacheinander die Eimer wegtraten, und schließlich ließen sie sich nieder, um zuzusehen, wie sie drei endlose Stunden lang in der Sonne auf die Männer mit den Vorschlaghämmern warteten.
    Andrea verfluchte die Deputys, und die verfluchten sie. Teo funkelte sie aus der Höhle seiner Muskeln wütend an. Tierwater war außer sich. Er raste und wütete und drohte ihnen mit allem, von tätlichem Angriff über Schadenersatzforderungen bis zu einer Anklage wegen Amtsmißbrauch – jedenfalls so lange, bis Bob Hicks, seines Zeichens Sheriff von Josephine County, eine Rolle Klebeband holte und ihm den Mund verschloß. Und seine Tochter, seine harte, rechtschaffene, langhaarige, baumschützende, tierliebe, vegetarische Tochter – die klappte wie ein Schirm über dem Gefängnis ihrer Beine zusammen und weinte. Dreizehn Jahre alt, müde und verängstigt, ließ sie sich gehen. (Jetzt scharrten sie mit ihren Arbeitsschuhen und wirkten sogar beschämt, die Dienstabzeichenpolierer und Forstbehördenhengste, die sich in einem grünen Jeep dazugesellt hatten – vermutlich hatten sie selber Töchter und Söhne und Hunde und zahme Kaninchen in einer Kiste –, aber keiner von ihnen konnte irgend etwas gegen den Kummer meiner Kleinen unternehmen. Ich schon gar nicht.)
    Dankbar für die Atempause dieses Tages, rollten sich die Pazifischen Salamander in ihren Felsspalten zusammen, die Marder zogen sich ins Blätterdach zurück, und die Fleckenkäuze klappten ein Auge auf beim Klang jenes dünnen, untröstlichen Klagelauts menschlicher Verzweiflung. Tierwaters Hände waren gefesselt, sein Mund zugeklebt. Jedes Schniefen, jedes heruntergewürgte Schluchzen bohrte sich ihm wie ein Stachel in den Hinterkopf.
    Tja. Aber nun die Ironie der Geschichte, der Arschtritt, die traurige, ernüchternde, ärmliche Auflösung. Bei allem, was sie an diesem Morgen durchlitten, bei aller Pein, Langeweile und Demütigung ist kein einziger Reporter vor Ort, um darüber zu berichten, denn Sheriff Bob Hicks hat einfach die Abfahrt an der Autostraße gesperrt und läßt niemanden in den Wald – und deshalb war es ein Witz, ein Riesenwitz, die ganze Sache. Er weiß es noch gut: er hockte da wie in einer Bratpfanne, keine Ozonschicht zum Schutz vor der Sonne, kein Wasser, keine Mütze und kein Schatten, und allen Bäumen der Welt drohte die Axt, während in seinem Kopf die Rätselfrage kreiste: Wenn ein Protest im Wald erklingt und keiner da ist, der ihn hört, macht er dann ein Geräusch?

Santa Ynez, November 2025

    Als wir aufwachen, regnet es immer noch – oder als ich aufwache jedenfalls. Ich bin vor ihr wach, lange vor ihr, das ist ja klar. Ich fühle mich richtig historisch dabei. Fühle mich nach Eiern mit Speck, doch diese Nahrungsmittel sieht man nicht mehr allzu häufig (Eier vielleicht noch, aber Speck kann man vergessen), und da liegt ihre Handtasche auf dem Tisch, so groß wie ein Elefantenschädel und vollgestopft mit benutzten Taschentüchern, Kontoauszügen, Kaugummipapier, Schlüsselketten mit lauter Schlüsseln zu Türen von Häusern, die es gar nicht mehr gibt. Ich bin sozusagen Archäologe, der eine Tonscherbe nach der anderen aus dem Misthaufen meines Lebens buddelt. Andrea schläft gern lange. Das kenne ich. Damit habe ich gelebt. Aber über zwanzig Jahre lang gab es das nicht, in meiner Welt nicht. Und nun hatten wir eine, sagen wir mal, interessante Nacht, enorm stimulierend, eingetunkt in Nostalgie und Herzschmerz, eine Nacht, in der letztendlich, wenn auch nur kurz, Sex eine Rolle spielte, und insgesamt kann ich wahrlich nicht klagen. Ich glaube, ich pfeife sogar vor mich hin, während ich zwischen den platschenden Eimern und Dosen in

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