Grün war die Hoffnung
meiner Wohnküche herumhüpfe, um etwas Nettes zum Essen für sie vorzubereiten, wenn sie doch noch aufwacht.
Wie ich mich fühle? Feucht. Feucht in den Tränengängen und den Keimdrüsen, ich bin aufgequollen wie ein Lungenfisch, der einen ganzen langen staubtrockenen Sommer hindurch im Sand begraben war, bis zu dem Tag, als der Himmel aufbricht und die Welt wieder naß wird. Der Duft des Kaffees trägt mich zurück – selber trinke ich keinen mehr, ist zu teuer und außerdem spielt mein Magen davon verrückt –, und ich spüre, wie ich derart tief in der Vergangenheit versinke, daß ich gleich darin verschwinden werde, ohne daß sich auch nur eine Welle kräuselt. Sie schnarcht. Ich kann es hören – kein leises Einsaugen und Ausstoßen, sondern ein echtes Durchlüften der Atemwege, ein in sich so wahres Geräusch, wie es auch Lily hervorbringen könnte. Der Regen patscht mit seiner breiten Hand aufs Dach, und irgend etwas, das irgendwer irgendwo nicht gut befestigt hat, knallt knapp oberhalb des Fensters gegen die Wand, die Welt erzittert, und Andrea schläft. Es ist ein starker Augenblick.
Leider dauert unsere Idylle nicht viel länger als diesen Augenblick, denn ehe ich noch überlegen kann, ob ich ihr den Thunfischsalat serviere, den ich die letzten drei Jahre lang für eine besondere Gelegenheit im Lebensmittelkompressor aufbewahrt habe, oder sogar die allerletzte Dose mit Krabben aufmachen soll, weil das Leben ja nicht ewig währt, vor allem, wenn man eine Krabbe ist, klopft Chuy an der Tür. Er ist aufgeregt. Tänzelt herum, bewegt Kiefer, Lippen und Zunge und versucht, ohne Erfolg, mir etwas mitzuteilen. Er trägt weder Mütze noch Mantel, das Haar klebt ihm am Kopf, und sein Blick wirkt so nackt, daß man beinahe durch ihn hindurch auf sein Dursban-verkorkstes Gehirn sehen kann. Wie alt er ist? Er weiß es nicht, erinnert sich nicht einmal an den Ort seiner Geburt, aber das Land, da ist er sich ziemlich sicher – fast »hunnertzehn Prozent, wenn nich hunnertzwanzich« –, war Guatemala. Ich bin nicht mehr so gut wie früher darin, das Alter von Menschen zu schätzen, weil heute alle außer den Altalten für mich jung aussehen, aber ich würde ihn auf vierzig, fünfundvierzig veranschlagen. Jedenfalls steht er vor meiner Tür, und was er mir sagen will, lautet mehr oder minder: »Sind ein paar Leute... Leute da draußen, Mr. Ty...«
»Was für Leute?« Ich stehe in der offenen Tür, der Himmel ist wie ein umgedrehtes Goldfischglas, riesige Windpropeller fegen Zweige, Papier, Laub über den Sumpf des Platzes vor dem Haus, hinter mir der unerdenkliche Kaffeeduft, der Heizlüfter, mein Bett, Andrea. Chuy hätte ebensogut unter den Niagarafällen stehen können. Meine Hausschuhe sind naß. Der Saum des Bademantels auch. Alles ist naß, immer – naß und verschimmelt, Bücher zerfallen auf den Regalen, Nacktschnecken kriechen aus der Teekanne, selbst unsere Stühle verfärben sich unter dem Hintern grün und setzen Triebe an. Entnervt packe ich Chuy beim Kragen und zerre ihn herein. Ich bin kein geduldiger Mensch.
»Die, diese Leute...« Eine eher spastische Geste in Richtung der Apartmentsiedlung.
»Die Typen von Lupine Hill?«
» Ellos, sí , die Leute, die, die... sie haben encontrado a Petunia. Gefunden, im Wäschekeller.«
Petunia heißt die Patagonische Füchsin. Sie ist gut achtzig Zentimeter groß, ihre Beine sind schmale rötliche Stöckchen, und eine schwarze Decke aus borstigem Haar liegt über ihr wie ein alter Teppich. Einen Wäschekeller gibt es meines Wissens für je zehn Wohneinheiten in Lupine Hill. Was das Spanisch angeht, so fällt Chuy in diese Sprache zurück, wenn das Unkrautgift die Schneisen in seinem Hirn blockiert, die sein verdrehtes Englisch geschlagen hat.
»Sie hat, wie sagt man? Etwas gefangen. Im Maul. Vielleicht un gato . Und dann die Leute haben Tür zugemacht. Deshalb wir, wir...«
»Wir müssen da rüber, und zwar sofort.«
Triefnaß, grinsend, die Haare aus den Augen streifend: » Sí . Und so fort.«
Diesen Augenblick sucht sich Andrea aus, um aus dem Schlafzimmer zu kommen, Haare im Gesicht, verschlafener Blick, die Beine nackt bis in die Haarwurzeln – und es sind gute Beine, denn die verliert eine schöne Frau als letztes, kaum Zellulitis und keine nennenswerten Krampfadern. Sie trägt eins von meinen Hemden, wie ich sehe (schwarze Seide, mein schickstes Stück, Geschenk von Mac natürlich, denn Tyrone Tierwater, der Tierpfleger, ist kein Mann für
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