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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Hand am Ende eines Arms, die zum Abschied winkt. »Da hätten wir einen Verstoß gegen das Strafgesetz – zwei Verstöße sogar. Widerstand gegen die Festnahme und tätlicher Angriff auf einen Einsatzbeamten. Zusätzlich zu Störung der öffentlichen Ordnung und zu unbefugtem Betreten.«
    »Unbefugt? Sind Sie noch ganz dicht? Der Siskiyou National Forest ist öffentlicher Grund und Boden, das wissen Sie genauso gut wie ich...«
    »Hören Sie zu, Mister – Sir –, und ich sage Ihnen, es geht mir sehr gegen den Strich, mit Typen wie Ihnen professionell bleiben zu müssen, aber was ich weiß oder nicht, das tut hier nichts zur Sache – sondern was der Richter weiß. Und den werden Sie sehr bald zu sehen kriegen.«
    Zu dieser Zeit in seinem Leben neigte Tyrone Tierwater zur Impulsivität, was er selbst als erster zugegeben hätte. Der Begriff »langsam in Wut geraten« sagte ihm nichts. Bei ihm loderte die Wut wie ein Stapel Reisig an einem windigen Tag, wie ein in Lackverdünnung getauchtes Tuch. Worum ging es? Er glaubte, daß es Dinge gab, die Gewicht hatten, er glaubte an die Macht des Individuums, Vorgänge zu beeinflussen, Streitfragen zu erhellen, Veränderungen zu bewirken, die Erde wiederzubeleben. Nichts davon war seiner Verdauung zuträglich. Oder seinem Bankkonto. Jetzt aber, angesichts von Kompromißlosigkeit und Dummheit, angesichts von Deputy Sheets, fuhr er hoch, setzte sich abrupt auf und riß die Dauerkanüle aus dem Arm, als schlüge er eine Mücke tot. »Wo sind meine Frau und meine Tochter?« fragte er. Oder nein: brüllte er, denn seine Stimme brach aus der tiefsten Tiefe seiner Brust hervor, um von den Wänden widerzuhallen und ein angeregtes Klirren diverser Instrumente auf dem Metallregal in der Ecke zu erzeugen.
    Deputy Sheets zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er bedachte Tierwater mit einem knappen, eingekapselten Lächeln. Er trug seine Dienstwaffe, und er griff mit der Rechten danach, ebensosehr, um sich selbst zu beruhigen, wie um Tierwater wissen zu lassen, wie hier die Parameter verteilt waren. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er sagte: »In Gewahrsam.«
    »Was meinen Sie damit: ›in Gewahrsam‹? Wo?«
    Er antwortete nicht, jedenfalls nicht gleich. Zog nur die Schultern nach hinten und wandte den Kopf zur Seite, wie um auszuspucken, dann aber bremste er sich beim Anblick der schimmernden Linoleumfliesen zwischen seinen Stiefeln und den Bettpfosten. »Keine Sorge, mein Freund. Sobald die Ärzte einverstanden sind«, stieß er hervor, und dabei wurde sein Blick eiskalt, »kommen Sie auch dorthin.«
    Tierwater war nicht zum erstenmal im Krankenhaus. Im Peterskill Municipal Hospital hatte er sich mit sechs die Mandeln herausnehmen lassen, und ein paar Jahre später kehrte er mit einem gebrochenen Arm zurück – nach der schicksalschweren Entscheidung, sich in eine der schlagkräftigeren Auseinandersetzungen seiner Eltern einzumischen. O ja, sein Vater war am Boden zerstört – niemand kannte je solchen Kummer, nicht seit Abraham Isaak opfern mußte –, die Mutter trug eine parfümierte Aura aus Mitleid und Trost, und so stopfte er sich gierig eine um die andere Portion der Butterscotch-Eiscreme hinein, die ihm als Schadenersatz angeboten wurde. Sicher. Aber Gewalt führt zu Gewalt, und auch wenn seine Eltern ihm nie wieder ein Haar krümmten, so schwärte doch dieser teuflische Same in ihm. Das nächstemal war er im Krankenhaus zur Geburt seiner Tochter, an einem Schauplatz von Schmerz und Verzweiflung, voller Frauen, die hinter dünnen, schwankenden Vorhangwänden schrien – »O Gott, o mein Gott!« kreischte eine anonyme Sopranstimme eine geschlagene Dreiviertelstunde –, und mit Jane schaffte er es damals immerhin bis in die Notaufnahme von Whitefish, Montana, aber da atmete sie schon nicht mehr, und alle Macht der Welt konnte... was? Einen Dreck dagegen ausrichten.
    Mit ihm war alles in Ordnung, aber der Arzt – ein blasser kahler Turm von Typ, dem ein dichter schwarzer Pelz aus dem Ausschnitt seines Kittels quoll – wollte ihm ein paar Tests verpassen. Nur um sicherzugehen. Deputy Sheets stand in der Tür, die skelettartigen Züge zu einer angeekelten Miene verzerrt, und überwachte jeden Handgriff des Mediziners. »Mir geht’s gut«, beharrte Tierwater, während der Arzt seine Fieberkurve studierte und dabei auf und ab ging, gefolgt von einer vierschrötigen Krankenschwester. »Ich fühl mich gesund, ehrlich. Ich möchte nur hier raus, okay?«
    Alle drei –

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