Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
aufgeregtem Stimmengewirr.
    (Wie lange war ich da draußen – auf der Flucht, meine ich? Ich sag’s euch, ich weiß es nicht, aber es war der längste lange Vormittag, den ich je im Leben verbracht habe. Und dann waren da diese Hunde – oder ein Hund –, diese Demütigung, die sich dem Beton und den Windeln und dem schmalen Scheißefressergrinsen der Waldis und ihrer Vorschlaghammerschergen hinzugesellte. Also gab ich auf. Natürlich tat ich das. Wie weit hätte ich es wohl geschafft, im Krankenhaushemd?)
    Tierwater blieb viel Zeit, um seine Probleme zu wälzen und darüber nachzudenken, wie unratsam – nein, wie schier unverblümt dämlich, ja geradezu selten idiotisch – es gewesen war, sich an diesem Morgen der persönlichen Bewachung von Deptuy Sheets und damit des Sheriffs von Josephine County zu entziehen. So saß er da im dichten Gestrüpp, keine fünfhundert Meter vom Krankenhauseingang entfernt, zerkratzt und verdreckt, die Füße an einem halben Dutzend Stellen blutend, das Papierhemd um die Hüften gewickelt, und immer der Gedanke daran, was sie ihm jetzt antun würden, zusätzlich zu allem anderen. Zwei Nächte zuvor in der Stille des Siskiyou Forest war er zaghaft gewesen und dann schlichtweg außer sich, als sie auf seine Tochter losgingen, aber jetzt fühlte er sich beinahe zerknirscht. Beinahe. Aber nicht ganz. Sie hatten ihn gedemütigt und seine Frau und Tochter terrorisiert – das konnte er nicht vergessen.
    Er horchte auf das Heulen der Sirenen in der Ferne und auf die viel näheren Singvögel in den Bäumen und die Insekten im Gras. Sein Atem ging langsamer. Etwas später stach die Sonne durch den frühmorgendlichen Dunst und wärmte ihn. Er legte den Kopf zurück in die gefalteten Hände und wurde zum Beobachter, einfach weil er nichts Besseres zu tun hatte. Das Geflecht der Pflanzen – Steinbrech, Kornblume, Goldrute – zeichnete sich vor dem Himmel ab, jedes Blatt und jeder Stengel vor Leben zitternd. Grashüpfer, Motten, Ameisen, Käfer und Spinnen, das waren hier die Gazellen und die Löwen, sie durchstreiften eine Miniatursavanne, die für sie groß genug war – wenigstens bis das Krankenhaus einen neuen Flügel brauchte oder irgendein Immobilienheini ein Einkaufszentrum hochzog. Er versuchte, nicht über Milben, Flöhe und Zecken nachzudenken, obwohl es ihn überall juckte, so daß er sich kratzte, bis seine Haut wund und seine Fingernägel blutig waren. Er hatte keinen Plan. Da kauerte er im Gebüsch, statt bequem im Bett zu sitzen vor einem Teller mit Rührei oder Waffeln, während in CNN über die Solidarno ść oder die Unruhen im Iran gebrabbelt wurde, aber wieso? Weil er etwas tun mußte, irgendwas – er konnte sich nicht einfach umdrehen und zu ihrem Prügelknaben werden. Oder?
    Lange Zeit – stundenlang, wie es ihm vorkam – sah und hörte er aus der Ferne das Durcheinander vor dem Krankenhaus mit an. Das Heulen der Sirenen, laute Stimmen, wuselnde Aktivität, in deren Zentrum zwei Streifenwagen standen. Doch erst als der Hundeführer eintraf und das eifrige, lustvolle Gebell des Polizeihunds durch das Gestrüpp zu ihm drang, entwickelte Tierwater einen Plan. Er würde nicht zulassen, daß dieses Tier durch die Büsche brach, um ihn am Fuß zu packen und gewaltsam ins Freie zu zerren, wo ein Lokalreporter zur Erbauung der Holzfällerfamilien ein paar Actionfotos von seinen strampelnden Beinen und seinem nackten Hintern knipsen würde. Nicht zu machen. Das war einfach kein passendes Szenario. Abgesehen davon hatte er Hunger, Durst, einen Sonnenbrand und alles satt. Er hatte klargestellt, worum es ihm ging. Genug war genug. Er stand auf und schwenkte die Arme. »Hier drüben!« rief er.
    Jetzt wurden die Dinge erst richtig interessant. Der Hund zerrte einen Bullen hinter sich her, der Sheets’ Bruder hätte sein können (dünn wie ein Schreitvogel, ein Stengel von Arm am Ende der Leine), und zog eine Riesenshow ab, ungebändiges, ja hysterisches Gebell. Dicht hinter Hund und Hundeführer drängte sich der unvermeidliche Reporter heran und ließ bereits die Kamera aufblitzen. Es war eine Reporterin, eine kleine Blondine mit Ponyfrisur in kurzem Röckchen und Turnschuhen, und Tierwater versuchte sich unwillkürlich das Haar glattzustreichen und vielleicht sogar ein Grinsen für sie aufzusetzen. Bitte recht freundlich. Hinter ihr folgte Sheets, geknickt dreinblickend, und dann der heranstampfende, massive, wutschnaubende Sheriff Bob Hicks persönlich.
    Der Hund wurde

Weitere Kostenlose Bücher