Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
überlaufenden Eimern und dem Gestank nach Endzeitschimmel und Tierfäkalien erklingt auf einmal das musikalische Lachen von zwei Frauen. »Machen wir lieber eine Flasche Sake auf.«

Siskiyou Forest, Juli 1989

    Am deutlichsten erinnert er sich an den, der Boehringer hieß. Sie waren zu dritt, und ihre Namen standen in schwarzer Schrift über der rechten Brusttasche ihrer Tarnanzüge: Boehringer, Butts und Jerpbak. Sie kletterten aus dem Jeep, ihre Gesichter sagten: Das hier ist kein Scherz , die Vorschlaghämmer trugen sie wie Gewehre über der Schulter. Sheriff Bob Hicks von Josephine County nickte beifällig, während er die dunkelbraune, schlanke Röhre einer Pepsiflasche aus einem Kühlfach des Streifenwagens fischte und sie an die Lippen hob. »Dope-Kommando«, raunte Teo leise.
    Das ist also das Dope-Kommando, dachte Tierwater, aber der Gedanke führte nicht viel weiter. Er beobachtete sie teilnahmslos, er war müde bis auf die Knochen, hatte die Sonne, die Bäume und die harte Schotterstraße satt, auf der er nun schon das halbe Leben zu sitzen schien. In diesem Augenblick dachte er gar nichts, war tief in sich versunken, seine Lippen brannten unter dem Klebeband, jeder Atemzug quälte sich durch die Nasenlöcher wie ein prall aufgepumpter Luftballon, er wollte es nur noch hinter sich bringen, Frau und Tochter nehmen und nach Hause gehen, den Kopf im Sand vergraben. Vielleicht war er aber doch nicht so fertig, wie er aussah. Vielleicht dachte er an Thoreau, seinen derzeitigen Helden (zusammen mit den Vätern der amerikanischen Umweltbewegung, John Muir, Aldo Leopold und Edward Abbey): Die Regierungsgewalt kann kein umfassendes Recht über mich und mein Eigentum haben, sondern nur so weit, wie ich zustimme. Ja. Sicher. Klar dachte er daran. Aber natürlich stand er gerade erst am Anfang einer Narrenreise, wie er noch nie eine unternommen hatte.
    Boehringer, Butts und Jerpbak hatten alle zusammen noch nie von Thoreau, Muir, Leopold oder Abbey gehört – die kannten nicht mal Jefferson. Und selbst wenn, es hätte wenig mehr bewirkt als ein Floh auf einem Elefanten. Sie gehörten zu einer Eliteeinheit von fünfhundert waffengeilen paramilitärischen Spinnern, die bei der Marineinfanterie rausgeflogen waren und jetzt damit beschäftigt waren, den illegalen Marihuanaanbau auf dem Boden der Forstbehörde zu unterbinden. Das war ihr vorgeblicher Zweck, aber in Wahrheit – da alle Graspflanzer, außer sie waren total ahnungslos oder ständig zugekifft, ihre Stauden längst im Haus kultivierten, um der Fahndung zu entgehen – wurden sie dazu eingesetzt, Menschen wie Tyrone Tierwater und seine Frau und Tochter einzuschüchtern, also jeden, der es wagte, sich dem Profit in den Weg zu stellen, der beim Ausplündern der amerikanischen Wälder lockte. Nicht daß er eine Predigt halten wollte.
    (Um uns loszukriegen, nahmen sie Vorschlaghämmer – hab ich das schon erwähnt? –, und Behutsamkeit war ihnen kein allzu großes Anliegen. Wenn ein Schlag mal danebenging und eine eiserne Faust auf Knöchel oder Schienbein traf: Pech gehabt! Die Argumentation lief etwa so, samt diverser rhetorischer Schnörkel: Was habt ihr denn erwartet? Wenn ihr einen Knöchelbruch vermeiden wolltet, wieso seid ihr dann nicht unten in Kalifornien geblieben bei all den anderen Schwulen und Umweltschützern? Hier bei uns arbeiten die Leute für ihren Lebensunterhalt, damit habt ihr nicht gerechnet, was? Von mir aus könnt ihr sämtliche Eulen der Welt in einen Fleischwolf schmeißen, ich sage immer noch, ein einziger Job für einen Amerikaner ist mehr wert.)
    Sie sahen niemanden an, diese Männer, nichts tangierte sie – ihnen war es völlig egal, ob sie Marihuanastauden abfackelten oder Aktivisten in den Knast schleppten. Allerdings hatten sie nicht mit Andrea gerechnet. Sobald die drei aus dem Jeep stiegen, verhärtete sich ihre Miene. Und es war kein gewöhnliches Gesicht, sondern eine Miniatur-Kinoleinwand, jederzeit imstande, einem in erschreckender Großaufnahme entgegenzuspringen und blitzschnell vom Weichzeichner der Kerzenschein-Liebesszene im noblen Restaurant zum gleißenden Licht der Konfrontation zu überblenden. In Konfrontation war sie besonders gut, wie Tierwater bezeugen konnte. Ihre Augen schwollen pneumatisch an, und drei aufstrebende Vs bildeten sich zwischen den Brauen und lauerten dort wie Raubvögel. Ihr Kinn wurde zum Mount Rushmore. Und ihr Mund – dieser Mund, der küßte, knabberte und leckte, zärtliche Worte und

Weitere Kostenlose Bücher