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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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anderen, dazu eingeladen, Versammlungen zu besuchen, mit den Delphinen zu schwimmen, die Wale zu retten und an den Himalaya zu denken. Er hatte Schuldgefühle, doch kam er keiner dieser Aufforderungen zu edlem Tun jemals nach, und schlimmer noch: er brachte keinen Fetzen davon je in den Altpapiercontainer.
    Dann rutschte eines Tages aus dem Stapel von Rechnungen, Briefen, Einladungen, Mahnungen, Unverschämtheiten, Ersuchen und Drohungen, die seine Sekretärin ihm jeden Tag auf den Schreibtisch lud, eine Postkarte heraus. Darauf war ein Logo, das er noch nie gesehen hatte – ein blutroter Kreis mit einer gereckten Faust darin (zuerst dachte er, es sei von den Black Panthers – aber waren die nicht alle entweder tot, im Gefängnis oder Pächter von Nike-Sportgeschäften?). Sie kam nicht von den Black Panthers. Sie kam von E.F.! – Earth Forever! – und enthielt eine Einladung zu einen Pow-wow/Chili-Wettkochen/Apokalypse-Vortrag/Diaabend im Haus von Linda d’Piqua-Hoover in Croton. Er drehte die Postkarte um. Sehr geehrte(r) Mr. oder Ms. Tierwater , stand dort, sind Sie an unserer Umwelt interessiert? Machen Sie sich Sorgen, weil unsere Wälder vergewaltigt, unsere Bäche und Flüsse verpestet, die einsamen Seen in den Adirondacks vom sauren Regen vergiftet werden? Haben Sie die leeren Versprechungen satt? Reicht es Ihnen allmählich? Sind Sie für echte Aktionen bereit? Dann kommen Sie zu unserem usw.
    Er ging hin. Warum? Langeweile, Neugier, der Wunsch, die Sherrys dieser Welt hinter sich zu lassen und ein paar umweltbewußte Frauen kennenzulernen, die vielleicht Lust darauf hätten, mit ihm eine Gourmet-Trockenmahlzeit und einen Schlafsack am Ufer irgendeines umgekippten Sees zu teilen. Und mehr noch – das wollte er keineswegs herunterspielen –: weil er an die Sache glaubte. Das tat er. Ganz aufrichtig. Er brauchte eine Erweckung, ein Anliegen, einen Ruf zu den Waffen – und da war er.
    Am Abend der Veranstaltung fiel Regen, ein kalter, seelenloser Winterregen, der den Himmel auswrang wie einen alten Lappen und einem in die Schuhnähte und unter den Jackenkragen kroch. Er trat aus seinem Büro in eine Welt hinaus, in der jede Spur von Licht erbarmungslos gelöscht, der Mond getilgt und das Firmament verschleiert worden war – keine Helligkeit ohne Elektrizität, und elektrische Lampen erhellten ihm den Weg vom Büro zum Parkplatz. Der Wagen selbst war eine eigene Umwelt, eine Art rollender Sarkophag. Er spie seine Abgase in die Luft, spotzte und vibrierte, verströmte den Gestank nach erhitztem Metall. Hinter den regenschlierigen Fenstern lag sein Einkaufszentrum – das Copper Beech Shopping Center –, in die mörderische Nacht geschmiegt wie die Architektur seiner Alpträume. Er saß da und atmete das Kohlenmonoxid ein, das durch die Bodenplatte drang, bis sein Oldtimer, ein 1966er Mustang, sich erweichen ließ, ohne Aussetzer anzufahren, und dann war er endlich unterwegs, donnerte durch die Schlaglöcher dahin wie ein Herrscher über Natur und Maschine zugleich.
    Er vollführte eine wilde Serie von Manövern, bog falsch ab, wendete mitten auf der Straße und ließ im Rückwärtsgang den Kies aufwirbeln, während er immer wieder auf die Karte sah, die hinten auf der Einladung abgedruckt war, bis das D’Piqua-Hoover-Haus am Ende einer dunklen Straße auftauchte, strahlendhell wie eine Supernova. Davor parkten massenhaft importierte Autos, elegant und bedrohlich in ihren stählernen Häuten. Der schwarze Rasen glitzerte im Licht von hundert hellen Fenstern. Seine Füße fanden den steinernen Weg, und dann begrüßte ihn eine großgewachsene Frau an der Tür, die posthippiemäßige Birkenstock-Sandalen trug: Wie nett von ihm, daß er gekommen war, und kannte er schon Mrs. Soundso, Vorsitzende dieses oder jenes Komitees? Er ergriff Mrs. Soundsos schlaffe Hand – sie mußte um die Siebzig sein – und bahnte sich dann einen Weg zur Bar; die Gerüche von brennenden Holzscheiten, Körperwärme, Parfum und miteinander wetteifernden Chiligerichten umfingen ihn, als er in die Menge eintauchte. Ein Mann mit Kummerbund und Fliege reichte ihm ein Glas Wein. Er wollte eigentlich Scotch. Aber er nahm den Wein, nippte daran und orientierte sich einen Moment lang.
    Dabei sah er zum erstenmal Andrea. Sie stand in der Ecke, über eine Schale mit Joghurt-Dip gebeugt, ein paar Karotten und Brokkoliröschen in der Hand, Gesichter um sich scharend wie eine Puppenspielerin. Ihre freie Hand (unberingt, die Haut rissig, die

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