Grün war die Hoffnung
können sich den Schließmuskel ruhig zunähen lassen), aber ich verstecke mich hier vor niemandem, schon gar nicht vor den beiden Frauen im Nebenzimmer, die mein Haus übernommen haben, wie’s aussieht. Ich bin nicht bescheuert. Ganz egal, was Andrea erzählt, mit Liebe hat das, was hier abläuft, herzlich wenig zu tun – sie wollen an Mac ran, darum geht es ihnen. Sie wollen Geld. Und sie wollen mich. Oder vielmehr Sierra. Sierras Geist. Und wieso lasse ich mir das gefallen? Warum werfe ich sie nicht alle beide zur Tür hinaus und gehe zurück zu Lily und meinen Ameisenbären und Pekaris?
Weil mir langweilig ist. Weil ich nichts zu verlieren habe. Weil ich weiß, daß ich jederzeit die Bremse ziehen kann, wenn es sein muß. Weil ich mich treiben lassen will. Das Pony findet den Weg schon. O ja, allerdings.
Als ich zurückkomme, stecken die beiden die Köpfe zusammen, zaghaftes Lächeln begrüßt mich, den Herrn des Hauses, und in der Luft liegt ein Duft – zart, saftig, verführerisch –, ein Duft, der einen wahren Tumult in meinen olfaktorischen Gehirnbezirken auslöst und alle meine Verteidigungsmaßnahmen zunichte macht: sie backen Plätzen. Plätzchen! Die Welt geht einen Bach voller Scheiße hinunter, ich fühle mich wie von innen nach außen gekehrt: ausgeweidet, auf einen Spieß gesteckt, gegrillt und filetiert, und die zwei backen Plätzchen! Es ist zuviel für mich. Ich winke ihnen kraftlos zu und verdrücke mich in das verdammt feuchte Schlafzimmer für ein Nickerchen.
Ich erwache im Dunkeln zum Geräusch des Regens. Er fällt jetzt stetig, ein vertikales Prasseln, das an Wellblechdächer, Kokospalmen und Singapore Slings denken läßt, aber immerhin hat der Wind nachgelassen. Ich habe geträumt, meinen Standardtraum über ein zu großes Haus mit zu vielen Seitenflügeln und zu vielen Türen, die immer nur weiter hinein- und zu noch mehr Haus führen, und ich brauche gut fünf Minuten, um mein Bewußtsein wiederzubeleben. Wie spät ist es? Es fühlt sich an wie Mitternacht, allerdings fühlt es sich eigentlich immer so an. Meine Uhr zeigt 12.15 – mittags –, was mir auch recht plausibel erscheint. Ich hebe das Handgelenk ans Auge, um die leuchtenden Ziffern vor dem düsteren Hintergrund des Zimmers zu betrachten, mein Mund ist trocken, mein Kopf schmerzt, und ich bin noch müder als anderthalb Stunden zuvor, als ich hereingetorkelt bin.
Lange Zeit liege ich nur so da und schiebe die unvermeidliche Wiederaufnahme meines Hundelebens eine weitere monotone Minute vor mir her. (Die Wände schwitzen, um das zu wissen, brauche ich kein Licht einzuschalten, und die fette gelbe Nacktschnecke, die in dem architektonisch unpraktischen Spalt unter dem Fensterbrett lebt, grast garantiert den Algenbewuchs auf meinem Porträt von Thoreau ab; der Spalt selbst dürfte inzwischen ein Stück größer geworden sein – bei dem Regen senkt sich ja alles, oder?). Noch mehr? Das Dach hat ein neues Loch, leicht zu bemerken an dem lauter gewordenen Trommelwirbel in der Ecke des Schlafzimmers, wo es sowieso immer in die Eimer tropft. Wahrscheinlich muß ich die Veranda noch einmal mit Sandsäcken abdichten, und der Nachmittag wird wohl wieder in einem Strom aus Schlamm und Hyänenscheiße untergehen, wobei Chuy und ich versuchen werden, die Tiere vor dem Ertrinken zu retten.
Dann klingelt auf einmal das Bildtelefon – eigentlich spricht es zu mir: Neuer Anrufer , teilt mir eine mechanische Stimme mit –, und ich hebe das andere Handgelenk, um das Gespräch entgegenzunehmen: »Ja?« sage ich, leider fehlt meiner Stimme jeglicher Enthusiasmus – allzuviel erwarte ich nicht mehr von diesem Tag oder auch von dieser Woche, diesem Monat oder diesem Jahr.
»Ty? Bist du da?«
Die Stimme klingt vertraut, ein sanfter Zuckerguß, so hoch wie die eines Kindes, und ich kenne sie so gut wie meine eigene... »Mac?« rate ich.
»Gib mir ein Bild, Ty, komm schon!«
Ich drücke die Taste, und da ist er, Maclovio Pulchris, eingesperrt in das kleine Quadrat auf der Unterseite meines Handgelenks. Er trägt den Schlapphut, mit dem er geboren wurde – der dürfte ihm sogar beim Passieren des Geburtskanals auf dem Kopf geklebt haben –, und drei Strähnen seines glänzenden geglätteten Haars (seine Aalpeitschen, so nennt er sie) legen sich vor die verspiegelte Sonnenbrille, genau über die Stelle, wo sein linkes Auge wäre. Wenn er diese Brille je abnähme. »Meine Güte, Ty, du siehst wirklich beschissen aus.«
»Vielen Dank.
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