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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Makrameearbeit. Amaryllis und Buttercup, die beiden Löwinnen, die Mac aus dem Katalog einer Zuchtanstalt in Ohio bestellt hat, sehen nicht viel besser aus. Ihre Blicke besagen, daß sie am liebsten neurotisch an dem Maschendrahtzaun, der ihre zweitausend Quadratmeter große Savanne umgrenzt, auf und ab marschieren würden, nur steht in dem Gehege jetzt eine ein Meter hohe hustenschleimfarbene Brühe voller Siamesischer Wanderwelse (hab ich erzählt, daß irgendein Umweltschutz-Anarcho vor zwanzig Jahren ein halbes Dutzend dieser Fische in Carpinteria ausgesetzt hat, kurz bevor das Wetter verrückt spielte?).
    »Chuy«, sage ich und drehe mich zu ihm und den zwei hoffnungslos dreinblickenden Leibwächtern um, »mit den Löwen haben wir ein Problem. Wenn wir ihnen einen Pfeil verpassen, fallen sie uns womöglich in die Soße da rein und ersaufen, und wenn wir nur mit einem Netz reinwaten, reißen sie uns am Ende den Kopf ab.«
    Die Bodyguards – die alle beide Al heißen, glaube ich – vermitteln den Eindruck, als hörten sie das nicht so gern. Eine dreieinhalb Zentner schwere Raubkatze mit scharfen Klauen und Zähnen durch hüfthohes Wasser zu bugsieren und auf die Ladefläche des Olfputt zu hieven ist keine Kleinigkeit, ob das Tier nun bewußtlos ist oder nicht. Und dann – wie aufregend – müssen sie mit den zwei Löwenweibchen das gleiche Spiel noch mal abziehen.
    Chuy blinzelt im Regen, die sehnige Gestalt vornübergebeugt, und überdenkt das Problem. Sein Regenmantel, der an den Armen mindestens drei Nummern zu groß ist, hat eine blaßrötliche Farbe und ist reichlich mit Rorschachklecksen aus Öl, Schimmel und Tierblut übersät. »Aber sie können schwimmen, Mr. Ty, nadan estos gatos , und ich denke, vielleicht wir können sie aneinanderbinden wie caballos, ja, um den Hals und dann das Seil anbinden hinten am Wagen, und dann... es una idea ...?«
    Ich bin kaputt. Alt und kaputt. Der Regen fällt wie eine Trillion von Hämmern, Schlag auf Schlag prasselt er auf mich nieder. »Du meinst, wir ziehen sie hinter uns her?«
    » Sí . Und wenn sie erst sehen weit offen la puerta zum Keller von Mr. Mac, schön warm und trocken, dann está claro , wohin sie gehen wollen, verdad ?«
    Oder wir lassen sie einfach, wo sie sind. Das Wasser wird wahrscheinlich nicht bis zu ihnen steigen, sage ich mir, andererseits kann es ihnen nicht guttun, tagelang triefnaß zu sein – sie kriegen bestimmt eine Erkältung oder so. Wie war denn das in Afrika – in dem Afrika von früher? Da hatten sie auch keine Löwengehege, um es sich gemütlich zu machen – und auch keine millionenschweren Popstars mit holzgetäfelten Kellern voller Teppiche und Pingpongtische. Ja. Klar. Und da sind sie auch verreckt, alle bis auf den letzten, gehetzt und gehäutet und verspeist bis auf die Knochen von den wimmelnden Massen unserer entarteten Spezies. Afrika ist jetzt egal. Und die Natur ist egal – Natur ist das ja nicht einmal mehr, sondern unsere eigene Kreation, ein Hexengebräu aus den Emissionen fossiler Brennstoffe und den Folgen der Entwaldung. Diese Löwen leben hier, im Santa Ynez Valley – dies ist ihr natürlicher Lebensraum. Und wenn das Tal überschwemmt wird, dann bringen wir sie eben in höhere Lagen, zu einem neuen Lebensraum für den unendlich anpassungsfähigen New-Age-Löwen: in Maclovio Pulchris’ tausend Quadratmeter großen Keller.
    Und wißt ihr, was ich dazu sage? Halleluja und gelobt sei der Herr.

Los Angeles/Titusville, Juli 1989

    Was er sich wünschte, mehr als alles, sogar mehr als Rache, mehr als Andrea und die Bäume und die Fleckenkäuze – mehr als all das wollte er seine Tochter zurück. Nur das. Einfach mit ihr die Stufen des Jugendknasts hinuntergehen, sie ins Auto setzen und mit eingezogenem Schwanz zurück nach New York fahren – und es war nicht zu spät zum Umkehren, das Haus war noch nicht verkauft, auch das Einkaufszentrum hatte noch keinen neuen Besitzer, die alte Decke seines Lebens lag sauber gefaltet bereit, so daß er sie sich wieder über den Kopf ziehen konnte. Und Andrea? Vergiß Andrea, vergiß Sex, vergiß das Leben. Er wollte nicht am Leben sein, denn das Leben tat weh, und zwar schlimmer als alles, was er je gespürt oder sich nur vorgestellt hatte. Seine Tochter. Sie hatten ihm seine Tochter weggenommen. Und warum? Weil er angeblich als Vater untauglich war.
    Als Vater ungeeignet. Das brachte ihn in Rage, und wie! Es ließ ihn explodieren wie eine Scud-Rakete, nichts als Schub und

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