Grün war die Hoffnung
anerkannten Elternkurs zu belegen und seine befleckte Weste für den Zeitraum der nächsten zwölf Monate blitzsauber zu halten, und erst dann würde das Gericht eine Entscheidung treffen. Wieder zurück nach Los Angeles, voll dumpfer Verzweiflung und siedendem Haß. Er starrte aus dem Autofenster auf die Bäume, und sogar die tote Hülle der ausgebrannten Planierraupe, die er zwischen Cottonwood und Red Bluff erspähte, freute ihn nicht. Kriminelle Handlungen. Diese moralinsauren, puritanischen Arschlöcher – die sollten noch ihr blaues Wunder erleben. So dachte Tierwater, aber der Gedanke kam und ging wieder. Rachephantasien brachten einen nirgendwohin. Verzweiflung dagegen sehr wohl. Verzweiflung brachte einen dazu, sich der Schwerkraft hinzugeben und vor dem ewig quasselnden Fernseher in einem gemieteten Haus in irgendeiner palmengesäumten Vorstadtstraße eins zu werden mit der rissigen Ledercouch. (Gebt mir meine Tochter zurück, und ich rupfe die Fleckenkäuze und haue sie persönlich in die Pfanne, ohne mit der Wimper zu zucken; so fühlte ich mich damals, denn ich war knapp davor aufzugeben, ich war ein Opfer, ein Schmock, zermalmt unter den Stiefeln von Richter Duermer und Sheriff Bob Hicks.)
»Komm schon, Ty«, sagte Andrea und versuchte es mit einem Lächeln, dahinter allerdings wirkte sie entschlossen, »krieg dich wieder ein! Wir wehren uns dagegen, okay? Es wird alles gut werden. Bestimmt.«
Es war ein ganz gewöhnlicher heißer Morgen, vierzig Grad um elf Uhr früh, und das San Fernando Valley wurde gebrannt wie billige Keramik. Der trockene Wind, den sie den Santa Ana nannten, raschelte im Laub der Grapefruitbäume im ausgedörrten Garten – da war nichts mehr, kein Grashalm, nicht einmal ein Erdhörnchenhügel – und knallte die toten Wedel der Palmen vor dem Haus aneinander, daß es klang wie Säbelgerassel. Sie wohnten in einer Gegend namens Tarzana, benannt nach dem Herrscher des Dschungels, dank dessen konstantem Marktwert sein Schöpfer das große Stück Land damals aufkaufen konnte, um es in seine Ranch, sein Reich zu verwandeln, in ein staubtrockenes, kaum bewässertes, aber mit Zitrusbäumen übersätes Landgut samt Villa mitten in der Neuen Welt – was für ein Beispiel für Veränderung. Inzwischen war Tarzana Teil der stinkenden, ungeheuerlichen, blasenschlagenden Megalopolis – übrigens Teos Heimatstadt –, und E.F.! hatte hier ein Büro für die Region Los Angeles angemietet. Warum? Weil Teo die Gegend kannte und weil es ruhig und uninteressant war, ein Ort, wo die Menschen in ausländischen Autos zur Arbeit fuhren und ihre Ranchhäuser im klassischen Stil der Fünfziger alle zwei Jahre neu strichen, immer in denselben zwei Grundfarben. Öko-Sabotage? Nie davon gehört.
Teo und Andrea hatten keine Jobs. Und Tierwater mittlerweile auch nicht mehr. Teo und Andrea lebten von E.F.!-Beiträgen, also dem Geld, das sie auf Spendenaktionen wie der in Croton sammelten, und letzten Endes von Tierwater. Tierwater wiederum lebte von seinem toten Vater. Quasi eine Art Nahrungskette. »Ja, ich weiß«, sagte er, und seine Stimme drang aus einem Sumpf von Elend und Depression hervor, »aber es macht mich fertig. Es ist, wie wenn man als Kind zum Psychiater muß – bist du je beim Psychiater gewesen?«
Sie saß neben ihm auf der Couch. Telefone klingelten, Menschen gingen in einem fort von Zimmer zu Zimmer, schwitzend und verschwörerisch. Sie runzelte nur die Stirn, ohne zu antworten.
»Bloß weil man weiß, was das Problem ist, bloß weil man es in Worten ausdrücken kann, heißt das noch lange nicht, daß sich irgendwas dagegen tun läßt. Ich fühle mich impotent. Kastriert. Verarscht. Ich krieg bald einen Nervenzusammenbruch. Ich meine, ich hab schon früher Trauer erlebt – verdammt, ich hab getrauert –, aber das hier ist anders. Es ist ja niemand tot.« Das Sprechen strengte ihn so an, daß er Kopfschmerzen bekam. Er war in einer Druckkammer, genauso fühlte es sich an, und irgend jemand hatte den Druck heruntergedreht, so daß er ihn in jeder Pore spürte. »Außer vielleicht ich selbst.«
Sie legte sich neben ihn, die Kurven und Höhlungen ihres Körpers suchten die seinen, sie wollte ihn festhalten und bemuttern, aber es half nichts. Einerseits war es im Haus noch ein paar Grad heißer als draußen. Dazu das ständige Klingeln des Telefons, eine enorme Ablenkung, und die geflüsterten Unterhaltungen. Außerdem war da noch die Frage, mit der er bisher nicht zu Rande gekommen
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