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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Fleisch, während die Kartoffeln brav in der Folie buken, die grünen Bohnen aus der Tiefkühlpackung im Topf schmorten und Blut aus den Steaks in das Schneidbrett sickerte. »Ekelhaft ist das, Dad – wirklich. Sieh dir doch das Fleisch mal an, lauter Schleim und Blut. Eine unschuldige Kuh mußte sterben, nur damit wir fressen können wie die Schweine, ist dir das klar?«
    Ich war nicht humorlos – nicht gänzlich jedenfalls. Aber ich hatte einen harten Tag hinter mir, war alleinerziehender Vater und als Koch nur von sehr begrenztem Können. Fleisch hatten wir eben da, deshalb würden wir heute auch Fleisch essen. »Und was war letzte Woche?« fragte ich. »Was ist mit den Chicken McNuggets, die ich dir jeden Samstag zum Mittagessen hole? Und was ist mit dem Essen in der Schule?«
    Die Küche, in der wir standen, stammte aus den fünfziger Jahren, entworfen und eingerichtet von meinem Vater, nachdem er die ersten fünfundsiebzig Häuser der Siedlung fertiggestellt hatte. Alles lief prächtig für ihn, und er scheute keine Ausgaben für sein neues Heim, plazierte es auf zwölftausend Quadratmeter am Ende der Straße, mit einem großen, leicht abfallenden Rasen davor und einem gedeckten Pool dahinter, dann pufferte er das Grundstück mit rund vierzig Hektar Sumpf und Dornengestrüpp und nachgewachsenem Wald ab – Heimat für Rotwild und Opossums, Kröten, Frösche, Schwarznattern und den Amateurbiologen und künftigen Waldläufer, der sein Sohn war. Die Küche mit ihrem Einbauherd und dem Elektrokochfeld, den Resopalarbeitsplatten und Schränken aus knorrigem Kiefernholz, die meine Mutter unbedingt weiß lackiert haben wollte, war auch früher schon Schauplatz diverser Essensrebellionen gewesen (Makkaroni und Käse waren mir besonders verhaßt, und Wachsbohnen – die konnte ich nicht einmal kauen, geschweige denn verdauen), aber das war beispiellos. Hier ging es nicht um eine Geschmacksfrage – es war eine philosophische Herausforderung und traf ins Herz der Ernährungsweise, mit der ich groß geworden war.
    Sierras Blick blieb fest. Sie trug Shorts, Basketballschuhe und ein zu großes T-Shirt, das ihr wohl Phyll gekauft hatte ( Lämmer auf die Schlachtbank? fragte der Schriftzug über der verlorenen Fratze eines Schafs). »Ich geh nie wieder zu McDonald’s«, sagte sie. »Und das Mittagessen in der Schule esse ich auch nicht mehr.«
    Ich nippte an meinem Drink, der Scotch wirbelte in mir auf wie Rauch in einem fahlen Himmel. »Was soll ich dir denn statt dessen geben – ein Sandwich mit Salat? Senfgemüse? Selleriestangen? Bambussprossen? Du magst Gemüse ja nicht mal! Wie kannst du Vegetarierin sein, wenn du nicht auf Gemüse stehst?«
    Darauf hatte sie nichts zu sagen.
    »Wie ist es mit Süßigkeiten? Süßigkeiten ißt du doch gern, oder? Ich meine, Süßes ist ein Gemüse, stimmt’s? Vielleicht könnten wir deinen Speiseplan nur um Süßigkeiten herum gestalten, zum Beispiel Eier mit angebratenen Löffelbiskuits zum Frühstück, Erdnußwaffeln mit gebackenen Marsriegeln auf Roggenbrot zum Mittagessen, mit Schokoladenschmelz und Schlagsahne darüber? Oder Eiscreme – was ist mit Eiscreme?«
    »Du machst dich über mich lustig. Ich mag nicht, daß du dich über mich lustig machst. Ich meine es ernst, Dad, wirklich ernst. Ich werde nie wieder einen Bissen Fleisch essen.« Sie zeigte verdammend mit dem Finger auf die Steaks. »Und das da esse ich ganz bestimmt nicht.«
    Ich hätte die Sache anders angehen können, hätte ihr ihren Willen lassen und das Wissen anwenden sollen, das ich mit den vielen kleinen ernährungsbedingten Konfrontationen mit meiner Mutter gewonnen hatte, als ich in Sierras Alter war, ganz zu schweigen von meinem Vater und dessen spezieller Art von militanter Sturheit. Aber ich war nicht in Stimmung. »Du wirst es essen«, sagte ich und baute mich vor ihr auf, den Scotch in der Hand, einen beginnenden Kopfschmerz verspürend. »Oder du kannst an diesem Tisch aufs Essen warten, bis du stirbst. Weil mir das völlig egal ist.«
    Die Steaks waren in der Pfanne, zentimeterdicke Fleischstücke, ich betrachtete sie und dachte zum erstenmal im Leben darüber nach, wo sie herkamen und dank welcher Verfahren ich und meine Tochter und jeder andere sie verzehren konnten, der an der Fleischtheke im A&P-Supermarkt sechs Dollar neunundneunzig pro Pfund dafür hinblätterte. Rinder litten, Rinder starben. Während ich Hamburger, Steaks und Rostbraten aß und mir nie das Gesicht der Kreatur vorstellen

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