Grün war die Hoffnung
und ich haben versucht, es Ty beizubringen, aber er wollte nicht hören. Los, sag du’s ihm, Mac...«
Aber wir wollen einen Augenblick zurücktreten, um die sich hier entfaltende Szene so recht zu würdigen. Da ist Mac, der ich weiß nicht wie viele Millionen schwer ist, Mitte Fünfzig und schlank bis zur Magerkeit, seine X-Beine stecken in einer schwarzen Jeans, dazu eine Art Tambourmajor-Jackett mit goldenen Paspeln über einem schwarzen T-Shirt von seiner Barbecue-You! -Tour, das seinen ausgemergelten Oberkörper eng umspannt, das Gesicht verdeckt von Schlapphut, Sonnenbrille und der Maske; und da ist Andrea, die überhaupt nichts hat, eine heiße alte Wachtel in einem Hippie-Blumenkleid, das bis zu den Stiefeln an ihr herunterhängt und dafür das runzlige Dekolleté entblößt. Sie reißt die goldenen Äuglein weit auf und packt Mac mit ungeheucheltem Ernst an den Armen, während seine Leibwächter unruhig mit den klobigen Füßen scharren. Und wo sind wir? Wir befinden uns in einem der drei Speisezimmer der Villa, konkret im Motown Room, hoch oben über dem Nordflügel, und durch das schlagfest verstärkte Panoramafenster blicken wir auf das tosende Chaos in den Niederungen ringsherum. Es regnet weiter. Und der Wind wird immer noch stärker.
»Ich habe Masken für uns alle hier«, piepst Mac, entwindet sich Andreas Griff und fuchtelt mit einem Packen davon in der Luft herum, »es gibt also keinen Grund zur Aufregung. Nur eine Vorsichtsmaßnahme, sonst nichts. Ihr seid alle meine Gäste, solange das da draußen so weitergeht, und habt keine Angst, Mac kümmert sich um euch. Wir haben genügend zu essen, und Al hat den Generator gleich angeworfen, als vorgestern der Strom ausfiel.«
Ich bin auf den Beinen, voller Wut, aber ich weiß nicht, warum. »Was spielen wir denn hier, Maskierte Herzen oder was? Das letztemal haben wir auch alle Masken getragen und uns strikt abgeschottet, weißt du noch, Mac? Hat aber Lori nicht viel geholfen, stimmt’s?«
»Ach, damals. Da haben wir die Sache zu Anfang nicht ernst genommen. Wir haben rumgemacht. Die Dienstmädchen nachmittags nach Hause gehen lassen. Und die Partys, erinnerst du dich nicht mehr an die Partys, Ty? Aber diesmal bin ich im selben Moment aus Carolina weg, als ich davon erfahren hab. Belagerungszustand, Leute. Und wirklich, ich muß darauf bestehen, daß wir alle diese Atemmasken tragen, bis wir was Neues wissen – wenn ihr hierbleiben wollt, geht’s nach meinen Regeln. Und Dr. Deepit sagt, man soll im Haus bleiben wegen dieser Moskitos, die das – wie heißt es noch schnell, Ty?«
»Dengue-Fieber. Es heißt Dengue-Fieber, und die Mücke, die es überträgt, ist die Aedes aegypti , kam früher nur in den Tropen vor. Man nennt es auch das Knochenknackerfieber, weil es sich anfühlt, als ob einem alle Knochen brechen, wenn man es hat. Aber wir können so lange drin bleiben, wie wir wollen – Scheiße, von mir aus können wir Tag und Nacht wie die Imker verkleidet rumlaufen –, nur: womit sollen wir die Tiere füttern, das wüßte ich gern. Gestern ist alles weggespült worden, und bis auf die Löwen haben sie alle nichts zu fressen gekriegt.«
Andreas Miene wirkt – erfreut. Oder fast erfreut. Und April Wind, die in einen bunten Latinoumhang gehüllt ist und der eine Tonfigur des aztekischen Regengottes Chac an einer Lederschlinge vom Hals baumelt, ist ebenfalls verzückt. Es dauert einen Moment, bis ich kapiere – das Unwetter tobt, die Pest ist unterwegs, und sie sind mit Maclovio Pulchris in einem Haus eingesperrt: Auftrag erfüllt.
Mir gefällt das nicht. Es gefällt mir ganz und gar nicht. Die Mucosa ist eine üble Sache, eine Art Extremgrippe, sie wird durch den oberflächlichen Kontakt übertragen und bewirkt Entzündungen an den Schleimhäuten der Geschlechtsorgane, der Atemwege und der Augen, regt sie zu Überaktivität an, bis man buchstäblich in den eigenen Körpersekreten ersäuft. Es tut weh. Es dauert lange. Und es ist kein schöner Anblick.
»Es wird dich überraschen, Ty Tierwater, aber in diesem Haus gibt es Fleisch«, sagt Mac gerade und skatet behende durch den Raum, um unter einem elektronischen Reliefporträt von Gladys Knight and the Pips in Pose zu gehen – eine kleine Vorstellung für das im Eßzimmer versammelte Publikum. Seinen Gesichtsausdruck würde ich als verschlagen beschreiben, außer daß er gar keinen hat – Hut, Brille und Maske, mehr sehe ich ja nicht von ihm.
»Fleisch?« entrüstet sich April Wind.
Weitere Kostenlose Bücher