Grün war die Hoffnung
ihre frostigen Schatten werfen.
»Als Gastgeber – und zwar als der Gastgeber der schärfsten, abgefahrensten und durchgeknalltesten Partys – muß man eben einfach Fleisch dahaben, verstehst du?« erklärt Mac. »Na, und die armen Viecher waren ja auch schon tot und geschlachtet. Es ist doch so: wenn man einen Weinkeller hat, wieso dann nicht auch einen Fleischkeller? Es ist sozusagen eine Investition. Ich hab hier das letzte argentinische Rindfleisch, ist dir das klar? Büffelzunge, Elch, Hammel, pikant gewürzte Salsiccia aus Palermo – ich weiß nicht, was noch alles. Und Fisch. Zwei ausgewachsene weiße Thunfische, vielleicht die letzten auf der Welt, und kannst du dir vorstellen, was die Japaner dafür zahlen würden? Nur für ein Stückchen so lang wie dein kleiner Finger?« Eine Geste mit der Hand. »Liegen irgendwo dadrin. Jedenfalls waren sie kürzlich noch da.« Sein Atem dampft als seltsamer Lichtdunst durch die Maske, überall sind Schatten, nackte Tiere auf nackten Haken, Fleisch volles Rohr. »Einiges von dem Zeug ist zwanzig Jahre alt.«
Wir haben uns beide in den Kühlraum gezwängt. Dicht neben mir hängt irgendwas, hartgefroren wie Granit, ein hufloses Bein baumelt schlaff herunter. »Also du meinst, wir könnten vielleicht was von den älteren Sachen verfüttern, an den Fuchs, die Hyäne, die Löwen – nur in einer Notlage natürlich? Du hättest nichts dagegen?
Mac antwortet mit eloquentem Achselzucken. Seine Sonnenbrille überzieht sich mit Rauhreif. Ich spüre, wie das Eis um die weißen Härchen in meinen Altmännernasenlöchern kristallisiert. »Es geht darum, die Tiere zu retten«, sagt er. »Das weißt du doch, Ty.«
Sierra Nevada, August 1989
Tierwater saß auf dem vorderen Rand eines Gartensessels, einen Skizzenblock auf dem Schoß, einen großen Wodka Tonic in Griffweite, und sah zu, wie seine Frau und seine Tochter die Würfel klappern ließen und kleine silberne Männchen auf einem Monopolybrett verschoben. Es waren etwas über zwanzig Grad, der Himmel von einem klaren allwissenden Blau, die Espen reglos, die Kiefern, Rauchzypressen und Redwoods überragten einander schweigend bis zum fernen Horizont. Andrea entspannte sich im Lotossitz auf den verwitterten Bohlen der Veranda, ihre Brüste schwangen frei hinter dem dünnen Baumwollstoff ihres T-Shirts, den eigenen Drink hielt sie zwischen den Oberschenkeln fest. Etwas unter ihr, auf den Stufen, die auf den beigefarbenen, nadelübersäten Waldboden führten, kniete Sierra barfuß in einem breiten Balken Sonnenlicht und erwog die Errichtung eines Hotels auf einem ihrer günstig gelegenen Grundstücke. Nichts war zu hören bis auf das wiederholte Tocken eines Spechtes in der Tiefe des Waldes und, von etwas näher, die schrille Beschwerde eines Eichhörnchens aus dem Baldachin der gewaltigen Ponderosakiefer, die sich wie eine Wand vor dem Schlafzimmerfenster erhob. Keine Insekten. Kein Wind. Und der Duft – es roch nach Sauna, sauber und steril, die Sonne buk langsam das Aroma aus den Kiefern heraus.
Tierwater hatte keine großen künstlerischen Ambitionen mehr (obwohl er früher einmal einen vagen Ehrgeiz in diese Richtung verspürt hatte), und er hätte das auch als erster eingestanden. Trotzdem mochte er das Gefühl von Kohlestiften zwischen den Fingern, das leise schabende Geräusch der Striche, die Anwandlung des Realen in der Abstraktion – vertikale Striche wurden zu Bäumen, horizontale zu Zweigen, dann eine rasche Schraffur, um die Schatten auf dem Granitfindling darzustellen, der am Fuß der großen Kiefer aus der Erde hervorbrach. Diese Übung war beruhigend. Zutiefst beruhigend. Und sie war mehr als das – sie war Ausdruck der Liebesbeziehung, die ihn mit diesen Bergen verband. Vergessen die Panik, die Polizei, die Haftbefehle, die falschen Namen (man kannte ihn hier als Tom Drinkwater, seine Frau als Dee Dee und seine Tochter als Sarah) – er empfand wahre Liebe. Als sie in der erdrückenden Spätjulihitze aus dem San Joaquin Valley in die Berge gefahren waren, hatte er sie Kurve für Kurve, Minute für Minute in sich wachsen gefühlt. Jede Spitzkehre brachte ihn dieser Landschaft der Befreiung näher, diesem Licht, das wie eine Bombe explodierte, dem Wald, der zehnmal weiter war als alles, was er in jahrelangen Wanderungen durch die Hügel der vergleichsweise kleinen Ostküste gesehen hatte. Mehr noch: das hier war Wildnis, die Heimat von Puma, Schwarzbär und Coyote, Ringdrossel, Goldforelle und Goldadler.
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