Grün war die Hoffnung
Flugzeugs. Kurzzeitig war nichts von ihm zu sehen, dann aber tauchte sein Kopf auf, und ich sah die heftig rudernden Vorderpranken – tatsächlich, er schwamm! Doch damit endete das Wunder noch nicht: im nächsten Moment taten es ihm die beiden Löwinnen nach, plumpsten mit weltmüder Ergebenheit ins Wasser, paddelten neben ihm her, schnurstracks durch das offene Tor, und zockelten dann hinter dem Olfputt den Hügel hinauf. »Bis vor die Tür!« rief ich Al zu. »Bis vor die Tür!«
Nun hätten sich daraus vielerlei Katastrophen entspinnen können – drei ausgewachsene, mißgelaunte und halbverhungerte afrikanische Löwen, die sich zwischen den Apartmentbauten frei bewegten, welche Summen hätte Mac dann wohl auf seine Schecks schreiben müssen? –, aber der neu entstandene Fluß, der von Rancho Seco Besitz ergriffen hatte, teilte sich genau vor Macs Hügel. Sein Grundstück war auf einmal zur Insel geworden, und obwohl die Raubkatzen durchaus hätten davonschwimmen können, um irgendwo die schlimmsten und blutigsten Greueltaten zu begehen, nahm ich doch stark an, daß sie klug genug waren, lieber ins Trockene und die Brust des wilden Emus verspeisen zu wollen, den wir ihnen vorausblickenderweise bereitgelegt hatten. Und nichts anderes taten sie dann auch. Ich lehnte mich zum Rückfenster hinaus, um das Seil zu kappen, und Dandy, der noch etwas wacklig von der Droge war, setzte sich erst zweimal in den Schlamm, ehe er seiner Spürnase – und seinen unbeeinträchtigten Gefährtinnen – durch die offene Tür folgte, hinein in die geräumigen Weiten des holzgetäfelten und mit Teppichen ausgelegten Kellers von Maclovio Pulchris. Uns blieb nur noch, die Tür zu schließen und zu sichern, wofür ich Al den Ersten den Olfputt über die Blumenbeete bis dicht vor die Tür setzen ließ, dann sprang Al der Zweite heraus und drückte höchst entschlossen seine Schulter dagegen. Als nächstes folgten die Holzbretter und die Fünfzehn-Zentimeter-Nägel, alle drei legten wir uns gerade voll ins Zeug, als Chuy triumphierend und mit breitem Grinsen auf uns zugestapft kam. »Jetzt wir holen noch Lily, verdad , Mr. Ty?«
Und deshalb kann ich nicht schlafen – wegen der Tiere. Andauernd geht es um die Tiere. Löwen im Keller. Geier im Schwimmbad, die Hyäne im Geschenkeverpackungszimmer im ersten Stock. Es ist verrückt, total verrückt. Und das Wasser steigt weiter.
Womit sollen wir sie füttern? Wie sollen wir ihre Behausungen säubern? Und wenn das Wasser wieder sinkt – falls es das je tut –, wird Mac die Energie aufbringen, noch einmal von vorn anzufangen?
Ich weiß es nicht. Aber plötzlich dreht sich Andrea um, ihr Gesicht liegt dicht neben meinem auf dem Kissen, und im wäßrigen Licht des Morgengrauens sehe ich, wie sie die Augen aufschlägt, träumende Augen, diese Augen, die mich hinab in ihre unentrinnbaren Arme ziehen. »Gut geschlafen?« flüstert sie.
Perspektiven versuche ich soweit wie möglich zu vermeiden. Perspektiven tun weh. Lebe in der Gegenwart, das sag ich immer, einen Schritt nach dem anderen, und vergiß die Nostalgie, vergiß die Geschichte, vergiß die vage Kette von Verlust, Zermürbung und Frustration, die dich letzte Nacht ins Bett und heute früh wieder hinausgetrieben hat. Das fällt allerdings schwer, wenn man Andrea Knowles Cotton Tierwater neben sich sitzen hat, die einem die Grapefruit auslöffelt, weil man selbst vor lauter Rückenschmerzen kaum die Arme heben kann, und April Wind, die Krötenanbeterin, einen über den Tisch hinweg anglotzt. Und dann Mac. Ich kenne ihn seit zehn Jahren, seit meinem allerletzten Mal im Gefängnis, aber jetzt kommt er auf Rollschuhen zur Tür reingedüst und trägt eine Gazemaske, die mir einen Mordsschrecken einjagt. »Morgen, Morgen, Morgen!« trällert er und dreht sich im Kreis, als wäre er auf der Bühne, beschattet von seinen Bodyguards mit breitem Schädel und dem schläfrigen Blick. Der nächste Schock: die beiden tragen ebenfalls Masken.
Ich schlucke. Blinzle. Fische meine Brille aus der Brusttasche. »Okay«, sage ich schließlich, »hör mal, Mac – was soll die Maske? Erzähl mir bloß nicht, daß die Mucosa wieder umgeht, denn davon will ich nichts wissen, nicht bei diesem Wetter und mit den Tieren und dem ganzen Zeug, nein, kommt nicht in Frage.«
Andrea ist bereits aufgestanden, und scheiß auf die Grapefruit, scheiß auf den Exmann, jetzt existiert niemand auf der Welt außer Mac. »Aber das stimmt doch mit der Mucosa, oder? April
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