Grün war die Hoffnung
Bowgler, von Bowgler & Asburger. Ich vertrete Jasmine Honeysuckle Rose Pulchris. Dürfte ich hereinkommen?«
Jasmine Honeysuckle Rose: das müßte Macs dritte Frau sein, die Immobilienerbin, die mit den Augen wie zwei kalte Planeten, die in der Nacht glitzern.
Ich sehe hinaus auf den Abhang vor dem Haus, auf den Krankenwagen und die Polizeiautos, die alle bis zum Chassis im Schlick des zurückweichenden Flusses stecken, und auf die Kastenwagen der Fernsehsender, die sich weiter hinten zusammenscharen wie die verschwundenen Herden von früher. Da draußen mußte es gut fünfundvierzig Grad haben. »Das glaube ich nicht«, sage ich.
»Ich bin hier, um die Interessen meiner Mandantin zu vertreten, Mr. – äh, ich habe Ihren Namen nicht verstanden?«
»Ich hab heute schon was gespendet«, teile ich ihm mit.
Seine Lippen kräuseln sich zu einem schmalen, prozeßgeilen Lächeln. »Ich fürchte, ich werde darauf bestehen müssen.«
»Ach ja«, sage ich, und mein Herz pocht immer noch wie wild unter den Rippen, vier Stunden nach der Katastrophe. »Na, dann ficken Sie sich doch selber«, und ich knalle ihm die Tür vor der Nase zu.
Hier herrscht Chaos von der schlimmsten, schwärzesten Sorte. Dandelion ist, soweit wir das eruieren können, wieder imKeller bei Amaryllis und Buttercup. Was er mit Mac angestellt hat, ist übel, noch viel übler als alles, was ich an Horrorgeschichten im Knast gehört oder in den alten Naturfilmen über die Serengeti gesehen habe. Offenbar hat der Löwe als erstes Macs Innereien verzehrt – Herz, Leber, Lunge, Gedärme –, und dann, bevor Chuy und ich es mit der Nitro und dem Betäubungsgewehr die Treppe hinaufschafften, schleifte er den fleischigeren der beiden Als in den stummen Diener und verschwand mit ihm in Richtung Keller. Den anderen Al fanden wir auf dem Sofa hingestreckt, der eine Arm in höchst unnatürlichem Winkel am Ellenbogen abgeknickt und die Kopfhaut heruntergefetzt, so daß der Schädelknochen darunter zu sehen war. Die beiden Dienstboten waren wie Insekten beiseite gefegt worden: Zulfikar lag in der Zimmerecke inmitten eines dunklen Sees, und seine Frau hing mit aufgerissener Kehle über einem Stuhl. April Wind fanden wir leise wimmernd in einem der Fächer des Geschirrschranks. Wir halfen ihr heraus, vernagelten in allen drei Etagen die Türen des Speiseaufzugs und wählten dann die Notrufnummer.
Kaum habe ich die Tür zugeworfen, da hebt Chariots of Love von neuem an, und wieder und wieder, und ich frage mich, wie um Himmels willen dieser Leichenfledderer so schnell davon erfahren hat. Hat er eine Direktleitung zum Polizeifunk? Hat er irgendwen geschmiert? Umschwirrte er schon die ganze Zeit unser Haus auf Lederschwingen? Egal. Die Nitro lehnt neben mir an der Wand, und ich packe sie, hebe den Lauf auf Brusthöhe und öffne die Tür erneut. Ich gebe es zu, ich bin durcheinander und vielleicht nicht ganz bei Verstand, was immer das sein mag. Jedenfalls ziele ich mit dem Ding auf ihn und knurre etwas aus dem Mundwinkel, und er weicht auch tatsächlich einen Schritt zurück, aber inzwischen sprintet bereits ein ziemlich durchnäßtes TV-Team mit einer Minicam über das Gelände, in der Ferne flackern Blitzlichter, deshalb scheint jeder Widerstand zwecklos. Hinunter mit der Büchse. Herein mit dem Anwalt.
Macs Tod schlägt Riesenwellen in den Nachrichten. Nicht so sehr wie der von McCartney oder Garth Brooks, aber immerhin. Innerhalb einer Stunde zeigt der hdtv -Bildschirm Aufnahmen des Unglücksorts, zusammengeschnitten mit Clips von Mac in verschiedenen Stadien seiner Karriere sowie dem Schrecken und der Ungläubigkeit in den Mienen der Fans von Buenos Aires über Haiderabad bis Martha’s Vineyard (die Insel ist übrigens inzwischen größtenteils überschwemmt). Ich sitze im Grunge Room, versuche Atem zu schöpfen, ringsherum schwirren Bullen, Reporter und Rechtsanwälte wie Fliegen im Sturmangriff auf einen Teller Hüttenkäse, als auf dem großen Bildschirm neben dem Bett plötzlich April Wind erscheint. Sie blinzelt in die Kamera, keine fünfzig Meter von da entfernt, wo ich jetzt sitze, leicht benommener Gesichtsausdruck – die Zwergin, die zur Riesin geworden ist. Wie alle Amerikaner wurde sie mit dem Talent geboren, im Fernsehen zu reden. »Es war grauenhaft«, sagt sie, »wir aßen gerade Spiegeleier, beziehungsweise wir wollten sie essen, und dann war da dieses irrsinnig laute Gebrüll, und ich, ich...«
Die Kamera bleibt drauf, April Winds Gesicht wird
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