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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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in allen Pixels und Partikeln gezeigt, ein kummervolles Gesicht, eine Miene voller Tragödie und ernüchterter Esoterik, nun aber legt sich eine andere Stimme über die ihre, ganz ölige Betroffenheit: »Sie waren seine letzte Geliebte, nicht wahr?«
    Von allen Journalisten, die an diesem Nachmittag und bis spät in den Abend herumwimmeln – junge Draufgänger zum größten Teil, große Kampftrinker vor dem Feind und so weiter –, ist nur einer lange genug stehengeblieben, um mich ein zweites Mal anzusehen. Er ist etwa fünfzig, fünfundfünfzig. Klein, mit Brille und einem Fusselbart, der um die Kiemen herum schon weiß ist. Draußen wird es langsam dunkel, und wir haben uns alle – sogar Chuy – im Motown Room zu etwas versammelt, was man wohl eine Pressekonferenz nennen könnte, wenn auch verteufelt wenig konferiert wird dabei. »Sind Sie nicht –?« platzt er heraus, überall ist Polizei, aus dem Keller ertönt das Gebrüll der Löwen, die Kameras laufen, Andrea und April Wind sind in eine Ecke gedrängt, zwei Dutzend Mikrofone auf sie gerichtet wie die Stacheln eines Stachelschweins ( Erethizon dorsatum , inzwischen überall vom Aussterben bedroht). »Sie sind Tyrone Tierwater, oder? Der Öko-Radikale?«
    Der Rücken tut mir weh. Die Füße auch. Ich habe Kopfschmerzen. Mein Zahnfleisch brennt rund um das kalte Porzellan meiner Dentalkorrekturen. Ich könnte einen Drink gebrauchen, und ich habe Hunger – schließlich haben wir diese Spiegeleier nie gegessen und etwas anderes auch nicht. Ich winke mißbilligend ab. »Öko- was ?«
    »Das sind doch Sie, oder?« Überall gleißendes Licht, Köpfe in Kameraausschnitten, aus jedem Zimmer des Hauses dringt O-Ton. »Wie lange ist das her – zwanzig Jahre? Die Cachuma-Geschichte, stimmt’s?«
    Der Mann ist Historiker, kein Zweifel, und hier und jetzt, mitten in diesem Chaos, trägt er mich in die Vergangenheit, zu einem dunklen, schwappenden See und in ein Boot, das unter meinen Füßen bebte wie ein trügerischer Boden, durch den man kopfüber in die Unendlichkeit stürzt. Die Cachuma-Geschichte . Was soll ich dazu sagen? Es gibt weder Entschuldigung noch Sühne für das, was ich getan – oder zu tun versucht habe. Meine Tochter war tot, meine Frau hätte es ebensogut sein können, und die Namen der bedrohten Tierarten kamen mir Tag und Nacht über die Lippen – sechs Milliarden waren wir damals, und wie viele Gorillas, Schimpansen, Seekühe, Fleckenkäuze, Amboseli-Löwen?
    Es war meine schwärzeste Zeit – Totenschädelzeit, Hyänenzeit. Ich kämpfte einen Krieg, versteht ihr, und vielleicht hatte ich mein Urteilsvermögen verloren, falls ich je eines besaß. Gemeinsam mit einem FBI-Agenten, der sich als ausgestiegener Wissenschaftler von BioGen ausgab, und einem Scheißkerl namens Sandman (über ihn später mehr) trieb ich damals auf dem windgepeitschten Lake Cachuma, zu meinen Füßen acht große Plastikbehälter mit Tetrodotoxin. Der See lag im Santa Ynez Valley und war das Wasserreservoir der Stadt Santa Barbara. Der Giftstoff, dasselbe Toxin, das auch in der Leber des Kugelfisches – auch Fugu genannt – konzentriert ist und von dem Bakterium Alteromas produziert wird, war im Labor für Süßwasser adaptiert worden und eintausendzweihundertfünfzigmal tödlicher als Zyanid. Jedenfalls dachte ich das, aber der Schein kann trügen.
    In Wahrheit hatten mich Sandman und der FBI-Typ (Tätowierungen, Zungenpiercing, täuschend echt sein Outfit als transgenetischer Spinner) zu dieser Sache angestiftet, weil sie vermutlich hofften, über mich an die Führungsspitze von E.F.! zu gelangen, aber mittlerweile hatten mir Andrea und Teo und die anderen längst den Rücken gekehrt, also hieß es jetzt oder nie für die beiden. Doch als der Moment gekommen war, als es Zeit wurde, die Kanister auszukippen und so langsam das Gleichgewicht zugunsten der Tiere zu verschieben, da konnte ich es nicht tun. Obwohl ich mich gestählt hatte, obwohl ich schäumte und tobte und mir ins Gedächtnis rief, daß ein Freund der Erde zugleich ein Feind der Menschen sein mußte, obwohl Sandman und ich hundertmal konstatiert hatten, daß, wenn ein Baby und ein Ameisenbär gleichzeitig in einen Abzugsgraben fielen, das Menschenbaby geopfert werden müsse, obwohl dies die Endlösung und ich zu ihrer Vollstreckung auserwählt war – als es ans Handeln ging, verlor ich den Mut. Wirklich. Glaubt mir. Nehmt mir wenigstens das ab.
    »Hab ich recht?« Das gespannte Gesicht des Mannes ist

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