Grün war die Hoffnung
Testament, und die Anwälte seiner vier Ehefrauen, tatsächlichen und vorgeblichen Geliebten und diverser Kinder, ob ehelich oder nicht, ganz zu schweigen von mehreren Plattenfirmen, die Rechte an bestimmten Songs oder Aufnahmen einfordern, befinden sich bereits mitten in einer mörderischen Schlacht um den Nachlaß. Ich habe keinerlei Anspruch auf irgendwas. Ich hab nicht mal ein Gehalt. Oder eine Krankenversicherung. Und die Tiere – etliche Pekaris sind noch übrig, ein paar Honigdachse, drei Schmutzgeier und Petunia – haben noch weniger.
Was ich zu sagen versuche: ich fürchte mich– bin richtungslos, mittellos, versicherungslos und, kein Zweifel, bald auch obdachlos, und ich bin willens, diesen Cheflektor mit offenen Armen zu empfangen (ich will ja nicht gewinnsüchtig klingen, aber wenn etwas damit zu verdienen ist, dann erzähle ich gern einem Ghostwriter von meinen Jahren mit Mac und auch von meinem Leben als Saboteur, und April Winds Hagiographie über Sierra juble ich denen auch noch unter). Und wer kommt da? Ronnie Bott von Bertelsmann West, dem größten – dem einzigen – Verlagshaus in New York. Er nimmt denselben Weg wie Randy Bowgler und der Rest der langen Parade von Juristen, Journalisten und enthemmten Fans (einige von denen glotzen immer noch zu den Fenstern rein, trotz großer Anstrengungen der Mietpolizisten, die der Anwalt von Macs erster Frau angeheuert hat, um sie in Schach zu halten): über den jetzt fast ausgetrockneten Pulchris River – inzwischen überquert man ihn auf einem primitiven Steg aus verworfenen Sperrholzimitatplatten, die einfach im Schlick liegen. Es ist neun Uhr morgens, es hat dreiundvierzig Grad, und der Südostwind heult, als das Thema von Chariots of Love durch das Haus schallt. Andrea schläft noch, logisch, und April Wind, die diesen Termin angekurbelt hat, hat sich für ihre Tantraübungen in ihr Zimmer eingeschlossen, also wankt wieder einmal Ty Tierwater zur Tür, ob die Knie nun schmerzen oder nicht.
Was tue ich? Ich schenke dem Mann ein großes Glas Eistee ein und lasse ihn im Motown Room Platz nehmen, gleich unter dem leuchtenden elektronischen Porträt der Four Tops. Er sieht aus wie gerade mal vierzehn (obwohl ich weiß, der er älter sein muß) und trägt eines dieser Hemden mit großem Kragen und eine gemusterte Weste, wie sie jetzt offenbar wieder modern sind, genau wie die ausgestellten Hosen und Stiefel mit hohen Absätzen. Ansonsten: lange Haare, kein bißchen Muskeln oder Bart, ein krümeliges Zeug, das nur Akne sein kann, auf der rechten Backe. Ich lasse mich ihm gegenüber nieder, in der Hand mein eigenes tropfnasses Glas Eistee, und mustere ihn mit einer Miene voller Weisheit und Zugänglichkeit.
»Soso«, sagt er, rutscht auf dem Stuhl herum und schlägt erst die Beine übereinander, dann macht er den Vorgang wieder rückgängig, »Sie haben also die Privatmenagerie von Maclovio Pulchris betreut.«
»Zehn Jahre lang Scheiße geschaufelt«, bestätige ich und betrachte die Zitronenscheibe, die in meinem Glas herumschwimmt.
»Und Sie waren speziell für die Löwen zuständig?«
»Stimmt genau. Da gab es auch eine Menge Scheiße zu schaufeln. Und dann das Fleisch. Beim derzeitigen Zustand der Welt war es natürlich kein leichtes, sie immer gut genährt und einigermaßen gesund zu halten, aber wenn wir hier nicht ständig diesen beschissenen El Niño hätten« – hier muß ich eine Pause einlegen, weil ich eine plötzliche Verengung in der Kehle verspüre, die mir fast die Luftröhre zuschnürt –, »dann wären sie immer noch wohlauf. Und Mac auch.«
Der Lektor – wie hieß er noch schnell? Der Name ist mir entfallen – nickt einfach nur.
»Sie wissen, wer ich bin«, sage ich, »oder?«
Er nickt noch einmal.
Ich stütze mich auf meine knochigen Altmännerknie und bedenke ihn mit meinem durchtriebensten Blick, und ich sehe mich als schemenhafte Reflexion in dem Bild von Marvin Gaye, das hinter ihm hängt. Ich sehe aus wie ein Yankee-Roßtäuscher, wie ein Gebrauchtwagenhändler – oder schlimmer noch: wie ein Fundamentalistenprediger. »Sie wollen ein Buch, ich gebe Ihnen eines. Nicht nur über Mac oder meine Tochter, sondern über mich und das, was ich durchgestanden habe bei meinen Rettungsversuchen für diesen jammervollen Planeten und die, die« – wieder zieht sich mir unwillkürlich die Kehle zusammen – »die Tiere.« Und jetzt muß ich einen Moment lang innehalten, um mich zu sammeln. Mein Herz ist schwer, mein Kopf leer.
Weitere Kostenlose Bücher