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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Tanks zu schütten, aber viel mehr konnte er nicht tun, abgesehen von einem Molotowcocktail für das Polizeirevier selbst, aber er wollte ja niemanden auf sein Treiben aufmerksam machen, am wenigsten Sheriff Bob Hicks. Denn Sheriff Bob Hicks (Gattin: Estelle) in der Spruce Lane Nummer 17 stand als nächster auf seiner Liste.
    Hier wurde es kompliziert. Sheriff Bob Hicks wohnte außerhalb des Ortes, an einer Landstraße, die von schwärzlich glänzendem Gestrüpp und langstämmigen Sträuchern gesäumt war, kein anderes Haus in Sicht, das Regenwasser gurgelte in den Gräben, und nirgends ein Platz zum Anhalten – jedenfalls keiner, wo man den Wagen im Vorbeifahren nicht gesehen hätte. Außerdem wurde es langsam spät – Viertel nach vier auf Tierwaters Uhr –, und wer wußte schon, wann die Leute hier in der Gegend aufstanden, um die Katze hinauszulassen, sich einen Kaffee einzugießen und verträumt in den Rauch der ersten Zigarette des Tages zu starren? Tierwater fand den Briefkasten am Straßenrand, Nummer 17, das Haus dahinter lag im Dunkeln, und er fuhr weiter, suchte eine Abzweigung, wo er wenden konnte, um zu tun, was er tun mußte, und dann schleunigst in den Schoß seiner Familie zurückzukehren. Doch die Straße durchkreuzte diesen Plan: sie wurde offenbar immer schmaler. Und dunkler. Und der Regen fiel jetzt so heftig, daß er kaum noch die Fahrbahn erkannte.
    Einen Moment lang dachte er daran aufzugeben – einfach abzuhauen, zurück auf die Autobahn und nach Hause, ehe er den Wagen in den Graben fuhr oder am Ende angeschossen oder verhaftet wurde. Was er hier tat, war nichts Ehrenhaftes, das war ihm bewußt, es würde weder das Abholzen stoppen noch auch nur ansatzweise der guten Sache zuträglich sein – Andrea hatte ja recht: er sollte es gut sein lassen. Aber das konnte er nicht. Was sie ihm angetan hatten – der Sheriff, der Richter, Boehringer und Butts (und die würde er auch gern noch heimsuchen, aber das Leben war zu kurz und man konnte nicht jede Rechnung begleichen) –, war durchaus dem vergleichbar, was Johnny Taradash getan hatte. Oder vorgehabt hatte. Allein der Gedanke ließ ihm das Blut zu Kopf steigen: ein Jahr lang im Knast, ein Jahr lang das Gestöhne von Bill Driscoll im Schlaf hören müssen, ein volles Jahr aus seinem Leben gerissen wie ein Kapitel aus einem Buch. Und wofür? Wofür? Doch als er in der Vegetation zu seiner Linken eine Einfahrt auftauchen sah, schlug er das Lenkrad ein und wendete den Wagen, und was tat es schon, daß er dabei den Briefkasten von irgendeinem bescheuerten Bauern mitnahm?
    In dem Regen war nichts zu sehen, absolut nichts, und wo war jetzt dieses verfluchte Haus? Da oben vielleicht? Nein. Nur ein paar Bäume. Er wischte ungeduldig mit der Hand die angelaufene Innenseite der Scheibe ab, werkelte an der Lüftung. Und dann bog er um eine Kurve und erblickte etwas, das ihn regelrecht schrumpfen ließ: dort stand der Briefkasten von Sheriff Bob Hicks, klar und deutlich, erhellt vom dünnen Strahl seiner Scheinwerfer, dicht daneben jedoch hatte die Nacht noch ein weiteres langes, schimmerndes Objekt hervorgespien. Es hätte eine niedrige Reklametafel sein können, die reflektierende Tür eines Schuppens oder Anhängers, aber das war es nicht: es war ein Streifenwagen, und zwar der von Sheriff Bob Hicks. Und Sheriff Bob Hicks, eine langgesichtige, bleiche Erscheinung mit Schlapphut, saß wie erstarrt hinter dem Lenkrad, wie auf einem überbelichteten Foto.
    Tierwaters erster Impuls war es, voll in die Bremse zu treten, aber er widerstand ihm: jetzt anzuhalten, brächte ihm unweigerlich Ärger. Die Scheibenwischer klapperten, die Lüftung heulte, die Reifen verspritzten Dreckkaskaden, und der Mietwagen rollte unverfänglich an der Einfahrt vorbei, wobei sich Tierwater leicht duckte, um den Scheinwerfern zu entgehen, die den Vordersitz kurz wie eine Bühne erhellten – ob der Sheriff die Schminkestriche unter seinen Augen sehen konnte, die Strickmütze auf seinem Schädel? Würde er ihn erkennen? Sah er überhaupt hin? Trug er eine Brille? War sie angelaufen? Und was trieb dieser Typ überhaupt um diese Zeit? Hatte er etwa einen Anruf vom Revier erhalten: Sie kommen besser mal rüber, Chief, irgendein Arschloch hat uns bei beiden Streifenwagen die Reifen aufgeschlitzt , war das der Grund?
    Sheriff Bob Hicks hätte von seiner Auffahrt beide Richtungen nehmen können – klar, er hätte auch zurücksetzen und sich wieder ins Bett legen können –, aber er

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