Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
wie nackte Rockstars auf dem Cover des Rolling Stone . Die reinste Energieladung. Aber was, so fragte er sich, würde Chris Mattingly von dem halten, was er heute nacht vorhatte? Wäre das auch die Tat eines Heiligen? Wäre es ihm ein Titelfoto wert?
    Er döste weg, dann brach die Dunkelheit herein, gemeinsam mit einem feinen Nieselregen, und er setzte sich in den Wagen, um nicht so naß zu werden, hörte Radio und schaltete den Verstand ab. Es war noch zu früh, um zur Sache zu kommen – er wollte frühestens um Mitternacht anfangen, besser noch später. Er versuchte zu schlafen – immerhin würde es eine lange Nacht werden und ein noch längerer Tag, denn er hatte vor, ohne Pause durchzufahren, sobald er fertig war, und er würde brav vor dem Fernseher in seinem Wohnzimmer sitzen, wenn Jimmy Chavez, sein Bewährungshelfer, bei ihm vorbeischaute, um zu fragen, ob er schon gehört habe, was da letzte Nacht in Oregon passiert war.
    Um Viertel nach zwölf ließ er den Wagen an und folgte den sich dahinschlängelnden Schotterstraßen nach Grant’s Pass. Die Adressen von Richter Harold P. Duermer und Sheriff Robert R. Hicks zu finden war kein Problem – beide standen im Telefonbuch –, und wo das Polizeirevier lag, wußte er noch. Er fuhr zweimal am Haus den Richters vorbei, dann parkte er in der nächsten Querstraße, die so dunkel war, daß er sich wie in einer Höhle vorkam. Aus dem Nieseln war inzwischen ein Dauerregen geworden, und als er die lange, asphaltierte Einfahrt des Richters erreichte, glänzte sie wie ein dunkler Fluß im Licht der Lampe über dem Garagentor. Kein Geräusch war zu hören, bis auf das Summen des Transformators auf einem nahen Telefonmast: keine Grillen, keine Frösche, weder der Schrei eines Käuzchens noch das leise Rauschen in der Ferne vorbeifahrender Autos. Tierwater drückte sich in den Schatten und erkundete die Lage.
    Der Richter lebte gut, in einem großen Haus im Kolonialstil oben auf einem Hügel inmitten von Rasenflächen und Blumenbeeten, mit Swimmingpool und Tennisplatz, und Tierwater verübelte ihm das auch nicht. Der Mann war ein Werkzeug der Maschinerie – wieso sollte er es sich nicht gutgehen lassen? Er brauchte ja nur ein paar Demonstranten in den Knast zu schicken, ihre Familien zu zerbrechen und kleine Mädchen zu verängstigen, und irgendwie würden sich derlei großspurige gesetzeshütende Aktivitäten, dank dem Wohlwollen des Holzkonzerns, in etwas Greifbares verwandeln: die Segelyacht im Hafen, den weißen Mercedes 500SL, die Winterferienwohnung in Aspen und dann und wann ein netter Monat in Cancún oder Sankt Moritz und vielleicht noch ein Einkaufsbummel im Big Apple für Frau Richter Duermer höchstpersönlich.
    Im Haus brannte kein Licht, nirgendwo waren Hunde, weder schlafende noch wache. Tierwater probierte es an der Hintertür der Garage, sie quietschte kaum hörbar in den Angeln, dann war er drin. Der rosa Schein der Taschenlampe beleuchtete drei Autos, und was für welche: ein Lexus, zwei Lexusse – Lexi? – einer silbern, einer schwarz, vermutlich ihrer und seiner. Und irgendein Sportwagen, sah aus wie ein älterer Jaguar, mit großen Speichenrädern und Trittbrettern – liebevoll restauriert, wie man sagt. Man stelle sich vor – Richter Duermer ohne seinen Talar, ein flaches Hütchen in die fleischige Stirn gezogen, in den winzigen Ledersitz des Roadsters gezwängt, Sonntag nachmittag und vrooom , hallo, Richter, auch für Sie ein sicheres süßes Stückchen des lässigen Lebens. Aber Tierwater war nicht hier, um sich Dinge auszumalen, und es dauerte keine fünf Minuten, bis er die Getriebegehäuse aller drei Autos geöffnet, jedes liebevoll mit rund hundert Gramm Siliziumkarbid gefüllt und dann die Hauben so leise wie der Schlag eines Mottenflügels geschlossen hatte.
    Im Polizeirevier brannte sehr wohl noch Licht, irgendein armer Tropf – Sheets, vielleicht war es ja Sheets – schob Dienst am Telefon, wartete auf den Anruf der alten Frau, die ihre Brille verlegt hatte, oder auch auf die mit dem Waschbären in der Küche. Der Ort lag still da. Regen fiel. Tierwater konnte den Dunst seines Atems vor dem Gesicht sehen. An die Motorhauben der beiden vor dem Revier geparkten Streifenwagen kam er schlecht heran, doch hatte man versäumt, ihre Tankstutzen mit verschließbaren Kappen auszustatten. Zwar tat es ihm weh, ihnen nur die Reifen aufzuschlitzen, die Türschlösser mit kleinen Hölzchen zu verstopfen und ein paar Handvoll Kieselgur in die

Weitere Kostenlose Bücher