Grün war die Hoffnung
wandte sich nach links, die Scheinwerfer des Streifenwagens bohrten sich in die Nacht und schwangen dann herum, um in Tierwaters Rückspiegel aufzutauchen. Tierwater rutschte das Herz in die Hose, er riß sich sofort die Mütze vom Kopf, kurbelte das Fenster herunter, um sie hinauszuhalten, und wischte sich dann mit dem rauhen Acrylgewebe die Fettschminke aus dem Gesicht. Er fuhr so an die fünfzig, fünfundfünfzig. War das zu schnell? Zu langsam? Sollte man das Tempo nicht den Witterungsbedingungen anpassen? Der Regen prasselte hernieder; die Lichter hinter ihm kamen näher.
Eine Sekunde lang dachte er an Flucht – voll aufs Gas treten und den Mistkerl abhängen –, doch er verwarf die Idee sofort wieder. Er wußte nicht einmal, was für einen Wagen er da überhaupt fuhr – den billigsten Kleinwagen, irgendeine japanische Schüssel, die nicht mal einer alten Frau auf dem Fahrrad davongefahren wäre –, und es war ja auch nichts passiert. Zu der Annahme, der Sheriff würde ihn anhalten, gab es keinerlei Grund. Er mußte nur die Ruhe bewahren, sonst nichts. Aber da waren diese Lichter, die in seinem Rückspiegel dräuten und ihn verfolgten, mit derselben entsetzlich langsamen Geschwindigkeit wie er. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, als wäre es der Schleudersitzhebel eines brennenden Düsenjägers. Er versuchte, seiner Schulterhaltung, dem Hinterkopf und auch den Ohren Unschuld einzuimpfen. Unmerklich beschleunigte er ein wenig.
Das Schlimmste war Andrea. Oder nein, Sierra. Wie sollte er ihr das nur erklären? Kaum anderthalb Wochen aus dem Gefängnis raus und schon wieder hinter Gittern? Er war noch zu keinem einzigen Elternabend gegangen. Und Chris Mattingly und all die anderen – was würden die wohl denken? Er sah bereits die Schlagzeilen vor sich – ÖKOHELD ENTZAUBERT, E.F.!-AKTIVIST EIN REIFENSCHLITZER, TIERWATER NUR EIN KLEINER VANDALE. Und dann hatte er eine Vision von Lompoc, von Richter Duermer, von Fred. Nur wäre es jetzt nicht wieder Club Fed. O nein, diesmal wären es ein paar Quadratmeter in einem Zellenblock, Banden, Vergewaltigung, Einschüchterung, Sicherheitsstufe zwei mindestens, vielleicht noch höher. Verletzung der Bewährungsauflagen, Besitz von Einbruchswerkzeug, Hausfriedensbruch, Zerstörung von privatem und öffentlichem Eigentum, Führung eines falschen Namens zum Begehen einer Straftat...
Dann aber geschah ein Wunder. Langsam und besonnen und mit aller bedächtigen, polizeibeamtenmäßigen Umsicht der Welt ließ Sheriff Bob Hicks den Streifenwagen nach links ausscheren und zog für den Bruchteil eines Augenblicks mit Tierwater gleich, ehe er ihn überholt hatte und davonrauschte. Durch die beiden verschlierten Seitenfenster und den Zwischenraum der regennassen Nacht erhaschte Tierwater einen Blick auf den Mann selbst, auf die gleichgültigen Augen und das bleiche, gedunsene Gesicht, das aussah wie frisch aus der Erde ausgegraben, ein verschwiemelter, flüchtiger frühmorgendlicher Blickwechsel, und dann war der Sheriff nur noch ein Paar Rücklichter, die im Halbdunkel entschwanden.
Santa Ynez, April 2026
Als erstes, abgesehen vom Bezirkssheriff und dem Leichenbeschauer, trifft ein Rechtsanwalt ein, und wenn das nicht ein Sinnbild dessen darstellt, was aus uns geworden ist, dann weiß ich auch nicht. Er ist etwa so groß wie das, was man durchschnittlich nennt, mit einem krausen Lockenschopf, der sich über dem zurückweichenden Haaransatz auftürmt, die Zähne wirken wie angefeilt, und seine Fünfhundertdollarschuhe aus Vinyl mit getürkter Maserung sind so schlammverkrustet, daß er sie ausziehen mußte und nun in schmutzigen Socken vor der Tür steht. Sein Anzug ist klatschnaß. Der Schlips hängt ihm aus dem Kragen wie eine Henkerschlinge. Und seine Aktentasche – seine Tasche ähnelt einer primitiven Tonskulptur mit langen, hinterherschleifenden Fransen aus Wasserpflanzen. In dem Chaos, das im Haus herrscht, bei all dem Schock, Schmerz und Entsetzen im Gefolge von Macs Tod, findet sich nicht gleich jemand, der auf das Klingeln öffnet, und so gehe ich an die Tür, während der Sheriff und seine Männer im oberen Stockwerk herumschnüffeln und die Leute des Leichenbeschauers die Reißverschlüsse der Leichensäcke zuziehen, ich reagiere auf das Thema von Chariots of Love und mache bei der achtzehnten Wiederholung dieser unvergeßlichen Melodie die Tür auf. »Guten Tag«, sagt er, als stünden wir in der Eingangshalle des Bezirksgerichts. »Mein Name ist Randy
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