Grün war die Hoffnung
allein mit sich und empfand nichts weiter als Haß und Angst.
Sierra Nevada, Mai 2026
Es ist heiß. Das scheint das Hauptmerkmal der Erfahrung zu sein, die ich, Andrea und Petunia machen, während wir den Olfputt über höchst unerfreuliche Straßen manövrieren – entwurzelte Bäume, umgestürzte Telefonmasten, überall Schlaglöcher und Krater, mit etwas anderem als einem Geländewagen oder einem Militärfahrzeug wäre man hier sowieso aufgeschmissen. Sicher, da draußen hinter den getönten Scheiben – 55° verkündet das LED-Display im Armaturenbrett, und der Wind ist so staubig, daß man an Lawrence von Arabien denken muß – sind sogar Leute vom Straßenbauamt am Werk, aber die haben noch eine Menge Arbeit vor sich. Bald wird der Regen wieder fallen und die Straßen unterspülen, und dann haben sie noch mehr Arbeit. Andrea fährt. Ich sehe aus dem Fenster. Petunia, die mit Maulkorb, Laufgeschirr und Leine gebändigt ist, sich ansonsten aber frei hinten im Wagen bewegen kann, wenn sie überhaupt Platz findet zwischen dem vielen Proviant und dem Hausrat, den Flaschen mit gutem Wein und den Erinnerungsstücken, die wir mitgenommen haben, schwitzt. Und stinkt.
Wir stecken im Verkehr fest – vorsicht baustelle –, und ich denke an die Berge, an die hohen Bäume und den süßen Duft der Nächte dort oben, an die guten Zeiten damals, unsere Familienzeit, als wir die Drinkwaters waren. Auch wenn ich hier ein schales Klischee riskiere, sage ich das Übliche: das scheint so lange her, als wär’s vor der letzten Eiszeit gewesen, aber so ist es ja wirklich. Inzwischen gibt es da oben wilde Siedler, die Eichhörnchen jagen und versuchen, sich von der Natur zu ernähren, und wie ich höre, haben die Bäume nach einem Vierteljahrhundert voller Überschwemmungen, Dürrezeiten, Käferinvasionen und Stürmen ziemlich was abgekriegt. Wenigstens vor Kahlschlägen brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten – heute wird nur noch Fallholz gesammelt.
Ein Schweißrinnsal arbeitet sich als Vorhut meine Wirbelsäule hinab, das Wageninnere riecht wie das alte Raubkatzenhaus im Zoo von San Francisco, und der knallharte Sitz des Olfputt martert meinen Rücken. Wir fahren seit vier Stunden und sind noch nicht mal in Bakersfield. »Drehst du die Klimaanlage noch etwas rauf, bitte?« höre ich mich sagen.
»Sie ist schon voll aufgedreht.« Andrea grinst mich an. Sie genießt das. Für sie ist es ein Abenteuer, wieder mal ein Spiel mit der Welt, mal sehen, was diesmal dabei rauskommt.
Ich habe steife Glieder. Ich bin genervt. Ich muß pinkeln. Außerdem müssen wir auch Petunia ihr Geschäft verrichten lassen, wenn wir sie je an die Leine gewöhnen wollen, und vor uns – wir kriechen jetzt voran, der Motor heult, über Bodenwellen, in einen Graben von der Größe des Grand Canyon und wieder raus – erkenne ich die Lichter eines Restaurants, El Frijole Grande. »Wie wär’s mit was zu essen?« schlage ich vor.
Der Parkplatz ist voller Löcher und tiefer Spurrillen, und der Wind hat alles mögliche Zeug angeweht: Gestrüpp, Müll, die Reste eines Zauns, den vertrockneten Kadaver einer Katze (Felis catus). Etwas wacklig steige ich aus dem Wagen – die Hüften! das Knie! – und falle der Hitze in die Arme. Sie wirft einen um, wahrhaftig. Die ganze Welt ist ein Pizzaofen, ein Pizzaofen, der soeben explodiert ist, und die Hitzewelle dehnt sich endlos aus, kleine Staubkörnchen arbeiten sich in meine Nase und meine Kehle hinein, sobald ich nur die Tür geöffnet habe – begleitet vom bedrohlichen Prasseln des Sandes, der an meinen kratzfesten Brillengläsern abprallt. Ich versuche nur zu überleben, bis ich es in das Restaurant geschafft habe, denke an nichts anderes, aber da sehe ich hinter mir im Innenraum des Wagens Andreas Gesicht, sie schreit irgend etwas, es scheint wichtig zu sein, und plötzlich wirble ich mit den oxydierten Reflexen der Jungalten herum, gerade noch rechtzeitig, um Petunia an der Leine zu erwischen, als sie zur Tür hinausflitzen will.
Schlaksig, stinkend, das Fell so verfilzt, daß es sich anfühlt wie Draht, der mit einer dünnen Betonschicht überzogen ist, schießt sie aus dem Wagen und hängt einen Augenblick lang in der Luft, bis ihre Leine wie eine Peitsche anruckt und mir fast die gepeinigte Schulter aus dem Gelenk kugelt. Aber ich halte fest, ungeachtet der Hitze, meines Alters, der Not einer vollen Blase und einer vergrößerten Prostata. Dies ist der einzige Patagonische Fuchs in Nordamerika,
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