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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und ich habe nicht vor, ihn loszulassen. Petunia weiß das noch nicht recht zu würdigen und geht schnurstracks auf meine Beine los, dabei gibt sie Geräusche von sich wie eine schlecht gesampelte Platte und versucht den Maulkorb durchzubeißen, während ihre vier Beine, sechzehn Krallen und vier Afterklauen auf dem ramponierten Asphalt verzweifelt kratzend nach Halt suchen.
    Ich liege auf dem Boden, schweißgeboren, und Petunia hockt auf mir drauf und will gerade mit den Vorderpfoten ein Loch in meinen Brustkasten scharren, als Andrea mir zu Hilfe kommt. »Weg da, Mädchen«, sagt sie und reißt an der Leine, die ich immer noch nicht freigeben will, und ich kann nur daran denken, Schuld zuzuweisen, wo sie zugewiesen gehört. Es war von Anfang an ihre Idee. Sie war dagegen gewesen, einen Käfig mitzunehmen – »Sei nicht verrückt, Ty, dafür haben wir keinen Platz« –, und hatte argumentiert, Petunia sei ohnehin weitgehend hundeähnlich. »Füchse gehören doch zur selben Spezies, oder?« »Gattung«, korrigierte ich, »oder vielmehr Unterfamilie. Trotzdem machen sie eine Menge Dreck auf dem Teppich.«
    Immerhin sind die Verletzungen nicht ernst. Der Rücken meines Hemdes ist eine Collage aus Unrat und Sandkörnern, vorn fehlen zwei Knöpfe, aber die Haut hat mir Petunia nur an drei oder vier Stellen geritzt, ehe wir sie überwältigen konnten. Trotz des Windes und der Hitze schaffen wir es, sie mit zusammengebundenen Hinterläufen über den Platz humpeln zu lassen, bis sie sich irgendwo hinkauert und ein ärmliches Häufchen absetzt, unter dem Vorderreifen eines Schulbusses mit dem Banner Calpurnia Springs, Staatsmeister der B-Liga (Worin wohl, frage ich mich,im Überleben in der Wüste?). Nach kurzer Debatte darüber, was wir mit ihr anfangen sollen – bei der Hitze können wir sie schlecht im Olfputt lassen –, beschließe ich, sie an die Stoßstange zu ketten und das Beste zu hoffen. Dann sind wir drin, wo es kühl ist und die Hits der Sechziger – für Streicher arrangiert – aus verborgenen Lautsprechern säuseln, während Menschen aller Größen, Hautfarben und Körperformen in wildem Getümmel und Gebrabbel durcheinanderschieben.
    Der Laden ist eher eine Arena als ein Restaurant, überall Köpfe, Stimmengewirr, das Summen und Tröten von Videospielen. Das Motto hier heißt Mexiko – ein klägliches Papageienpärchen und ein halbes Dutzend schlaffe Bananenstauden in gigantischen Töpfen –, der Geruch aber ist eindeutig Fritierfett, hier wird alles fritiert. Ich blute vorn durch mein Hemd. Die Hose klebt mir im Schritt fest vor lauter Schweiß. »Ich wette, die haben keine Bar hier«, sage ich.
    Andrea antwortet nicht. Sie steht, Augen wie Messer, wie aus dem Boden entsprungen stocksteif vor dem Schild BITTE LASSEN SIE SICH EINEN TISCH ZUWEISEN . Es verstreichen fünf Minuten. Es verstreichen zehn. Wir warten immer noch, obwohl drei Empfangsdamen um die Zwanzig inzwischen ganze Busladungen vor uns plaziert haben. Was da abläuft? Altersdiskriminierung. Wir Jungalten, wir vom Babyboom, die wir mit siebzig so jung und vital sind wie unsere Eltern es mit fünfzig waren, die wir alle Macht besaßen und die Hits der Sechziger erfunden haben, wir sind auf einmal unsichtbar, irrelevant, reine Dekoration in einer überbevölkerten, ressourcenarmen Welt. Was wollen uns diese jungen Leute sagen? Sterbt doch, das sagen sie. Und zwar schnell.
    Aber sie kennen Andrea nicht. Im nächsten Moment hat sie eine verdattert dreinblickende Kellnerin mit Raupenfrisur mit der einen großen Hand gepackt und den Geschäftsführer mit der anderen, und prompt werden wir zu einem Tisch geleitet, genau ins Zentrum dieses brodelnden Chaos aus Völlerei und Lärm, tut uns leid, daß Sie warten mußten, kein Problem und guten Appetit. Ich will ein Bier. Ein mexikanisches Bier. Aber es gibt kein Bier. »Tut mir leid«, sagt der zwölfjährige Kellner und sieht mich an, als litte ich an Gehirnverknöcherung, »nur Sake.«
    Was sonst?
    Andrea bestellt Wels-Enchilada und dazu eine Sake-Margarita, und nachdem ich lange zwischen den Wels-Fajitas und bagre al carbón schwanke, ehe ich mich für ersteres entscheide, erhebe ich mein Glas mit Sake on the rocks und stoße es gegen den Salzrand ihrer Margarita. »Auf uns«, schlage ich vor, »und unser neues Leben in den Bergen.«
    »Ja«, sagt sie, ein leises Lächeln auf den Lippen, und ich denke darüber nach, über unser gemeinsames Leben, wie es sich vor mir ausbreitet, in den Fenstern

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