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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der nicht innerlich tot war, reagierte darauf. Eines Nachmittags, beim Essen in einem Laden, der das Veganer-Prüfzeichen führte – Linsenbrei-Sandwich, Aubergine à la paysanne, Salat in Erdnußvinaigrette und Tofushake –, fragte er sie danach, das heißt nach Männern. »Dieser Rick, hieß der nicht so? Was ist aus dem eigentlich geworden?«
    Sie kaute gerade, ihre Wangen voll und rund, das Sonnenlicht zeichnete die Fliesen rings um einen kleinen Springbrunnen, man hörte das Gemurmel der anderen Gäste, das leise Rauschen der Wagen draußen auf der Straße. Sie brauchte eine Zeitlang, und in ihren schmalen Augen lag ein geheimes Wissen. »Ach, der«, sagte sie schließlich. »Da war ich im zweiten Studienjahr. Der war – ich weiß nicht, er fand Sport gut.«
    Tierwater, verdutzt: »Findest du Sport nicht gut?«
    »Du weißt, was ich meine.« Eine Pause. Irgendwo spielte ganz leise Coltrane, eine Melodie, die ihn umgehauen hatte, als er in ihrem Alter war. »Im letzten Jahr mochte ich Donovan Kurtz, ich hab dir von ihm erzählt. Den aus dem Kurs über Umweltrecht? Er hatte eine – willst du das überhaupt hören?«
    Eistee, das war es, was Tierwater wollte. Er winkte der Bedienung, und sie saßen schweigend da, während die Kellnerin sein Glas nachfüllte. »Sicher«, sagte er dann und ließ die Mundwinkel nach unten sinken.
    »Er hat Musik studiert und mir immer etwas vorgesungen, wenn wir miteinander geschlafen haben.«
    »Laß mich raten«, unterbrach Tierwater sie, um seine Verlegenheit zu verbergen: seine Tochter schlief mit jemandem . »Etwa I’ve Been Working on the Railroad ?«
    »Dad!«
    »Oder When the Saints Go Marching In ?«
    Bildete er es sich nur ein, oder wurde sie rot, ein klein wenig? Coltrane blies sich in der Ferne die Tonleiter hinauf und hinunter, herrliche Läufe, das Eis klirrte in seinem Glas. Er fragte: »Und was ist aus ihm geworden?«
    Sierra legte ihr Sandwich auf den Teller, sah beiseite, zuckte die Achseln. »Hat geheiratet.«
    Tja, und bald danach war sie in Nordkalifornien, in Scotia, und bereitete sich vor, unbefugt das Gelände von Coast Lumber zu betreten und einen der erstklassigsten Redwoods dieser Firma in Besitz zu nehmen, und Tierwater saß am Steuer des schwarzen BMW, raste den Highway 101 hinauf, neben ihm wühlte Andrea in seinen CDs (»Was ist damit, wie wär’s mit Pulchris: Barbecue You? «). Teo saß hinten, die fließende, sonnenbefleckte Landschaft zog an den Fenstern vorbei. Man sprach über Lobbyisten in Washington, die Scheinheiligkeit des Naturschutzverbands, die Spruchbänder, die sie schwenken wollten, wenn Sierra in luftige Höhen aufsteigen würde – und über die Geschwindigkeitsbegrenzung. »Fahr langsamer, Ty – hier ist Tempo neunzig angesagt«, sagte Andrea immer wieder. »Willst du vielleicht angehalten werden? Und irgendeinem Bullen erklären müssen, wieso du nicht in Los Angeles bist?«
    »Wovon redest du?« Er war sauer, natürlich war er sauer: er mußte die ganze Zeit an die Rückfahrt vom Siskiyou Forest damals denken – noch so ein Déjà-vu –, als sie Sierra in den Händen des Feindes zurückgelassen hatten. Und was taten sie jetzt? Sie stürzten sich ins Getümmel und waren schon wieder rückhaltlos bereit, sie zu opfern. Wegen Teo. Teo mit seinem Actioncamp. »Glaubst du etwa, irgendein Bauernpolizist hier wird wissen oder auch nur wissen wollen, wer ich bin und was ich darf oder nicht darf?«
    »Computer«, kommentierte Teo vom Rücksitz.
    »Quatsch«, sagte Tierwater und fuhr langsamer.
    Dann kam die Farce mit dem Motel: Tierwater und Andrea in einem Zimmer, Riesenbett mit Vibrationsoption, kein Sex, und Teo im Nebenzimmer allein, einstweilen keine Geständnisse, keine Beichten und keinLeugnen, es ging hier um etwas, das größer war als sie drei, konzentrieren wir uns, bilden wir ein Team, feuern wir unser Lager an. Frühstück im Morgengrauen. Trübe und bedeckt, Nebel wie eine Traumtapete, ein Geruch in der Luft, als hätte man irgendwo Gräber aufgebuddelt. Tierwater fühlte sich nicht wohl. Er zündete sich eine Zigarette an, schlechte Angewohnheit, und Andrea bat ihn, hinauszugehen.
    Es war kurz nach neun, als sie die Abzweigung außerhalb von Scotia erreichten und das staubige Gelände dahinter, das ein Bulldozer bei einer früheren Holzfälleraktion planiert hatte. Entlang der Straße ragten hohe Bäume empor – den »Zaun« nannten es die Holzfällerfirmen, damit die Autofahrer nicht merkten, daß nur noch diese

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