Grün war die Hoffnung
Lompoc adieu. Er hatte seine Strafe abgesessen, also schlossen sie den Käfig auf und ließen ihn raus. Zu spät, um dabeizusein, wie seine Tochter das Barett der Akademiker schräg über die grauen, ernsthaften Augen aufsetzte und ihr Diplom – cum laude – in Umweltwissenschaft entgegennahm, aber so war das eben, wenn man Dummheiten beging, Dummheiten, die einen ihrer Macht auslieferten und die nie wieder zu tun man sich schwor. Das sagte jeder Häftling – Ich werde es niemals wieder tun –, aber Tierwater glaubte es nicht. Keine Minute lang. Er wußte jetzt mit jeder sehnsüchtigen, hassenden, verbitterten und zu Tode gelangweilten Faser seines Seins, weshalb das Gefängnis niemanden besserte. Strafe als tätige Reue, was für ein Witz. Man bereute ja immer nur, daß man sich hatte erwischen lassen. Und je länger man einsaß, desto heftiger wollte man es den Arschlöchern heimzahlen und ihnen weh tun, sie so verletzen, wie sie einen verletzt hatten. Soviel zu Rehabilitation.
Diesmal war der Wagen ein flotter schwarzer bmw – eines der hochpreisigen Modelle, ein 740i, Andreas Auto, und wo kam das Geld dafür her? »Von dir, Ty, und dafür liebe ich dich. Wir brauchten was mit Stil, wenn wir irgendwo vorfahren, wo gerade die Kameras surren, weißt du? Jedenfalls wollte ich dich damit überraschen. Er gefällt dir doch, oder?« Allerdings. Und auch das war ein Déjà-vu, wie er das Gaspedal niedertrat, der Ozean, der Wind, draußen auf der Terrasse des Restaurants, Kellner, eine Speisekarte, richtiges Essen, und dann nach Hause ins Bett, zum Sex. Nur war Sierra diesmal nicht da – sie war in Arizona, in Teos Schulungscamp, bei einem Indoktrinationskurs in gewaltlosem Protest, als hätte sie nicht längst drei Doktortitel darin verdient –, und Sex gab es auch keinen. Schon, sie zogen sich aus, er und Andrea, und er betete ihren Körper an, ihren Duft, den Geschmack, ihre Augen und Zähne, den Klang ihrer Stimme, das einfache, unverfälschte Wunder, in einer sonnigen Küche zu frühstücken und sie im Bademantel am Tisch gegenübersitzen zu sehen, aber es war anders. Es war so, wie Sandman einmal gesagt hatte, als er ihm gerade in sämtlichen sexuellen Details seine dritte Frau und ihre vielfältigen Betrügereien schilderte, oder vielleicht war es die vierte: Was erwartest du denn?
Tierwater ging alles langsam an. Er war ein Blinder, der das Augenlicht zurückerlangt hatte, und er wollte nicht allzu scharf hinsehen, um nicht gleich wieder zu erblinden. Andrea fuhr mit dem schwarzen BMW zur Arbeit, und er ging in den Garten hinaus, grub Löcher und setzte Pflanzen ein. Im Swimmingpool lebte ein Stockentenpärchen, und das gefiel ihm – sie zogen im Frühjahr davon und kehrten jeden Herbst zurück, hatte Andrea erzählt –, die Frösche planschten paarungsbereit im Teich, und die Koboldkärpflinge betupften die Wasserfläche mit schmallippigen Küssen. Er traf sich ein paarmal mit Sandman, der jetzt in Long Beach wohnte und für eine Biotechnologiefirma arbeitete – »Da ist jetzt die Kohle drin, Alter, und die Zukunft auch« –, aber Andrea war nicht eben scharf auf diesen Exknacki und Gewalttäter, und Tierwater ließ die Beziehung abkühlen. Ende Oktober kam Teo zurück, was Andrea gefühlsmäßig dermaßen aufblühen ließ, daß Tierwater kurz davor stand, ein paar Köder auszulegen und sich mit der Schrotflinte auf die Lauer zu legen, um ein für allemal die Wahrheit herauszufinden, aber auch Sierra war heimgekehrt, und das lenkte ihn ab.
Einen Monat lang feierten er und seine Tochter ihre Wiedervereinigung. Sie fuhren nach Disneyland und Achterbahn in Magic Mountain, wanderten in den San Gabriels, den Santa Monicas und den Santa Susanas, gingen essen – jede Mahlzeit, jeden Tag im Restaurant – und sahen in einem Theater in Brentwood Nora oder ein Puppenheim (»Ich werde nie so werden wie sie!«) und Der Menschenfeind . Sie war jetzt erwachsen, eine Frau fast so alt wie Jane, als er sie kennengelernt hatte. Wo sie auch hingingen, sah er Männer, die sie musterten, und das verschaffte ihm ein seltsames Beschützergefühl, lauter hündische, begierige Blicke, von Männern jeden Alters – sogar von Großvätern –, die die Hälse reckten, um einen Blick auf sie und ihre ebenmäßige Schönheit zu werfen. Was sie anhatte? Shorts, Röcke, T-Shirts, Blusen aus Seide oder Kunstseide, nichts besonders Aufreizendes, keinMake-up, kein Firlefanz, aber sie besaß die Gabe der Schönheit, und jeder Mann,
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