Grün war die Hoffnung
frohe Weihnachten wünscht! Nein, echt, auf Drop City ist jeder Tag ein Feiertag, weil hier die Spießerwelt verbannt ist, kategorisch und absolut: Wir müssen leider draußen bleiben, Mr. Normalo, kapiert?«
Was konnte er schon tun, außer grinsend zu nicken und seinem Wohltäter ein wenig zur Hand zu gehen, als dieser anfing, Vorräte aus dem Bus zu laden: Ketchup in Dosen, Erdnußbutter, Honig, säckeweise Bulgur, Sesamkörner, ganze Mandeln und Rollhafer, Werkzeug, einen reparierten Generator, ein riesiges Backblech voller Brot – »Tauschhandel, Alter: Brokkoli für Brot, Gurken für Brot, Auberginen auch, und schon mal solche Kohlrüben gesehen?« – und zwei große Papiertüten mit rund dreißig LPs drin. Und wohin sollte das alles? In das große Haus, vier Stufen rauf über die abgetretene Veranda und weiter mit vollen Armen in die Küche, auf den handgezimmerten Tisch damit, primitiv, aber ehrlich, Küchenkräutertöpfe auf den Fensterbrettern, Regale vom Boden bis zur Decke, darauf Riesendosen und Anstaltspackungen von allen erdenklichen Lebensmitteln, als rechnete man mit einer Belagerung. Und Frauen, gleich drei: Merry, Maya und Verbie.
Alle drei blickten auf, als Marco hinter Norm durch die Tür kam und seine Last auf dem Tisch ablud, sie lächelten, ja, aber er kannte dieses Lächeln schon – kannte es von Morning Star, Olompali, der Magic Farm und Gorda Mountain –, und daraus war bis auf Restmengen fast alles Brüder- und Schwesterliche ausgewaschen. Gemeint war es als ein Willkommen, dieses schmallippige Geschwisterlächeln, in dem auch die Sorge um angebrannten Haferbrei mitzuschwingen schien, denn wie viele hatten sie schon so willkommen geheißen? Er war neu. Ein neuer Freak. Ein weiteres Maul zu stopfen, und würde er mitarbeiten, würde er bleiben und den Garten jäten, das Dach reparieren, eine neue Abwasserleitung legen von den ständig verstopften Klos bis zu dem erst halbfertigen Rieselfeld, kurz gesagt: Würde er die Investition von Zeit und Atemluft wert sein, oder würde er sich nur durchvögeln, den ganzen Tag lang kiffen, billigen Wein saufen und zwischendurch mit einem Teller in der Hand zum Essen antreten? Diese Frauen lächelten mit Bedenkzeit, und er fühlte sich gehemmt und wertlos.
Er mußte die Stufen ein halbes Dutzend Mal hinaufgestiegen sein, die Arme mit Einkäufen beladen, bevor ihn jemand ansprach. Es war Merry, groß und dunkeläugig, ein Zweiglein Schleierkraut hinters Ohr gesteckt, die den Blick hob und leise fragte: »Schon lange unterwegs, hey?«
Norm antwortete nicht für ihn – er war lärmend in eins der anderen Zimmer gewandert, hatte am Plastik der neuen LPs gezerrt und insgesamt ein gewisses Vakuum hinterlassen. Maya und Verbie standen in der Ecke beim Ausguß und machten sich über die Berge von Jungzwiebeln, Paprika, Zucchini und Karotten her, die sie für einen Gemüsetopf zerkleinerten, sie sprachen dabei leise miteinander, und Merry war barfuß durch den Raum gehuscht, um die Sachen aus den Einkaufstüten zu nehmen und in die Regale zu räumen. Sie stand direkt neben ihm, ein Duft nach Knoblauch und Koriander, ihr Blick jagte der Frage hinterher. Marco zuckte die Achseln. Die richtige Antwort lautete: So etwa zwei Jahre. Aber das sagte er nicht. Er erwiderte nur: »Keine Ahnung. Eine Weile schon.«
Und das war das Ende der Unterhaltung. Merry kehrte ihm den Rücken zu, er sah ihr fließendes langes Haar, das sich wie in einer eigenen Strömung bewegte, die weißen Fingerknöchel, als sie Dosen in die Regale stellte, die Sonne prall und schwer in den Fenstern, die eingetopften Kräuter, und ein Kater, den Marco bis dahin gar nicht bemerkt hatte, hob den Kopf von seinem Ruheplatz auf dem Kühlschrank, um ihn mit einem stahlharten Blick seiner gelben Augen zu fixieren. Die Stille hielt noch einen halben Takt lang, bis sie gebrochen wurde, und zwar von dem enorm verstärkten Zischen einer abgenutzten Nadel, die sich auf jungfräuliches Vinyl hinabsenkte, und schon erfüllte ein wahnwitziges Gefetze von Schlagzeug und Gitarre das Haus. Marco blieb noch zwei Takte. Dann senkte er den Kopf und schob sich zur Tür hinaus.
Draußen, hinter dem Platz, wo Norm seinen Bus geparkt hatte, gab es einen ziemlich konventionellen Garten mit zwei Zitronenbäumchen, Blumenbeeten, dazu einen eingegrabenen Swimmingpool, in dem ein Schwimmer – auf diese Entfernung sah Marco nicht genau, ob es Frau oder Mann war – mit verrückter Beharrlichkeit seine Runden zog.
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