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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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starrten durch die Windschutzscheibe und rauchten. Als der Joint runtergebrannt war, zündete Norm eine Zigarette an und reichte auch die an Marco weiter; Marco nahm einen Zug und gab sie zurück. Die Straße war wie jede andere Landstraße, brennende Seide in feurigem Glanz, die Bäume rasten vorbei wie Tiefflieger. Marco lehnte sich zurück und ließ den Bus schaukeln und ruckeln, auch als der Rauch die Fenster vernebelte und Norm sich ständig die Brille zurechtschob, als wäre das Gestell voller Öl. Er trug einen Gürtel aus geflochtenem Seil, der aber seinen mächtigen Schmerbauch nicht bändigen konnte, aus den Ohren und Nasenlöchern wuchsen ihm schwarze Stoppelhaare, und seine Arme waren viel weißer, als man es bei Leuten vom Land erwartet hätte. Er redete, und Marco hörte zu, seine Stimme war ein heiseres Keifen, das durch die Lärmsuppe aus dem Radio drang und vom Brummen des Motors abprallte.
    »Also meine Eltern, ja?« (Dies kam als Auftakt, obwohl Marco kein Wort über irgend jemandes Eltern gesagt hatte – sie hatten nur ein bißchen gequatscht, guter Stoff und echt stark und so weiter, und im Radio war nichts als Rauschen gekommen, während Norm mit seinen ramponierten Wurstfingern daran herumgedreht hatte.) »Also, meine Alte, die mich gestillt hat, und mein alter Dreckskerl von Spießervater, ja? Die sind abgekratzt. Rumsdiebums. Frontalzusammenstoß mit einem Lastwagen voller 1-a-Grillpoularden, der auf der 116 von Petaluma unterwegs war, und das mag vielleicht witzig klingen, aber es ist nicht witzig, denn der alte Kacker war sturzbesoffen, und meine Mutter hätte was Besseres verdient gehabt, aber jedenfalls kriegte ihr Sohn und Erbe – das bin ich, mit Verlaub – die Ranch in den Bergen, aber ich fand das einfach uncool , diesen ganzen Trip mit dem Landbesitz, weil Grund und Boden ja nicht einfach irgendwem gehören können, also dachte ich so in Richtung Timothy Leary: Laß uns mutieren, Mann , hab das Konzept des ›Freiwilligen Urzustands‹ entwickelt, und das darf ich dir mal kurz buchstabieren: LADJEAH – Land, Auf Das Jeder Ein Anrecht Hat, kapiert? Wenn du nach Drop City kommen willst, wenn du dich anklinken-einklinken-ausklinken und einfach mit der Natur leben und dein eigenes Ding durchziehen willst, ob das nun Ziegenmelken ist oder Abwaschen oder den Garten bestellen oder Sachen reparieren oder Rehe auf den Grill spießen oder auch nur in aller Seelenruhe zu den Sternen raufblicken – und mir ist wirklich egal, was davon du lieber hast –, dann bist du willkommen bei uns, hallo, nur hereinspaziert!«
    Zwei Stunden. So ging es dahin. Marco war in der Phase, in der alle großen Erwartungen allmählich einem dunkleren, ranzigeren Gefühl weichen müssen, doch als er das hohe Gras sah, mit Senfblüten durchsetzt, und die Eichen und die umhertollenden Hunde, die Ziegen, Hühner, die langhaarigen Männer, alle so im Einklang mit dem, was sie taten, daß sie kaum aufblickten, und die Frauen – die Frauen! –, da spürte er, wie etwas in ihm völlig neu geboren wurde. Er beugte sich vor und ließ die Szenerie sich vor ihm entfalten: Hütten, Zelte, Gemüsebeete und Zitrusbäume, eine geodätische Kuppel – oder war das eine Jurte? Dann bog der VW-Bus um eine Kurve, und das große Haus blitzte hinter Bäumen auf. Es war zu sehen, dann war es wieder weg. Als es wiederauftauchte, nahm Marco ein einstöckiges Holzhaus mit diversen Nebengebäuden wahr, nicht viel anders, als man es in Kansas oder Missouri oder sonst einem Staat finden würde, wo brave Bauern die Erde bearbeiteten, nur daß irgendwer alle Kanten in Grellorange eingefärbt und die Flächen in einem Karomuster aus Grün und Rosa gestrichen hatte, womit das Haus kein Haus mehr war, sondern eine Art Reklameposter für die psychedelische Revolution. Der VW-Bus bog auf einen Kiesweg ein, Staub wirbelte auf und schwängerte die Luft, Norm grinste in die Runde und grüßte mit dem Peace-Zeichen, zwei hellbraune Hunde liefen neben der Wagentür her, dann kam der Bus auf einem rumpligen Parkplatz hinter dem Haus zum Stillstand, und Norm brüllte: »Gerade recht zu den Feiertagen zu Hause, ah, ja!«
    Feiertage? Was denn für Feiertage? Marco überlegte, welcher Feiertag wohl Mitte Mai bevorstand – er war nicht sicher, welches Datum genau war, aber nicht später als vielleicht der fünfzehnte oder sechzehnte –, als Norm sich grinsend zu ihm umdrehte. »Ist nur so ’ne Redensart, Mann – und ich möchte der erste sein, der dir

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