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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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– und sich am Ufer eines Bachs schlafen gelegt, damit er beim Plätschern des Wassers und nicht bei Verkehrslärm aufwachen würde.
    Als die Wagenkolonne außer Sicht war, kehrte eine überirdische Stille ein, nur Vogelgezwitscher und das Rauschen der tropfnassen Bäume. Er wartete einen Moment, achtete auf Motorengeräusche, dann hängte er sich die Gitarre über die Schulter und marschierte die Straße hinauf in Richtung Olema und Point Reyes. Er versank im Rhythmus seiner Schritte, spürte ihn in den Unter- und Oberschenkeln wie eine Art Kraft, ein Mann, der am Straßenrand entlangging, und er hätte immer weiter so gehen können, quer über den Kontinent und wieder zurück, dabei würde seine Miene jedem vorbeifahrenden Auto sagen, daß er sich einen Scheiß drum kümmerte, ob sie nun anhielten oder nicht. Fünfundzwanzig oder dreißig Autos waren vorbeigefahren, und die Sonne hatte sich aus den Wiesen erhoben, um den Nebel wegzubrennen, als endlich ein VW -Bus für ihn bremste. Er war fast nagelneu, dieser Bus, oben weiß, unten ein dunkles Orange, doch als Marco ihn keuchend erreichte, sah er das Peace-Zeichen, ungelenk mit weißer Farbe auf die Seite gepinselt, und da wußte er, daß er angekommen war.
    Am Steuer saß ein älterer Typ – Mitte, vielleicht sogar Ende Dreißig – mit einem wilden Bart, der ihm über den Overall hing und in die Haare hinaufwucherte. Er trug eine Brille mit klobigem schwarzem Plastikgestell, und in seinem Grinsen blinkten mindestens zwei Goldzähne. »Spring rein, Alter«, sagte er. »Wo soll’s denn hingehn?«
    Das Zuknallen der Tür, ein Aufheulen des scheppernden Motors, Kamikaze-Insekten und Staub, Rucksack und Gitarre auf den Rücksitz gepfeffert wie Schmuggelgut, jeder Aufbruch ein Ritual, jedes Ritual ein Aufbruch. »Nach Norden«, sagte Marco. »Hey, das ist echt stark, Alter«, fügte er hinzu, »einfach irre«, dann fuhren sie los, und aus dem Radio fetzte der elektrische Sturmangriff von Rockmusik.
    Die sichtbare Welt flog volle sechzig Sekunden lang an ihnen vorbei, ehe der Fahrer sich zu ihm umdrehte und gegen die Musik anschrie: »Nach Norden? Verdammt allgemeine Richtungsangabe. Woran dachtest du denn so – vielleicht Sitka, Alaska? Oder Nome? Wie wär’s mit der Werkstatt des Weihnachtsmanns? Den Weihnachtsmann kriegen wir hin.«
    Marco grinste ihn nur an. »Eigentlich wollte ich nach Sonoma rauf – kennst du die Drop City Ranch?«
    »Drop City? Du meinst diese Hippiekommune? Wo sie alle nackig rumlaufen und den ganzen Tag lang nur bumsen und Dope rauchen? Auf so was fährst du ab?«
    Marco überlegte. Dieser Typ könnte sonstwer sein – zum Beispiel ein Zivilbulle oder ein Nazi oder ein Börsenmakler, sogar der Oberscherge von der Einberufungsbehörde. Aber der Bart – der Bart verriet ihn einfach. »Klar, Mann«, sagte Marco, »genau darauf fahr ich ab.«
    Es konnte nicht lange nach zwölf gewesen sein, als sie durch den Viehzaun rollten und dann in den tiefen Fahrrillen der Schotterstraße zum Haupthaus rumpelten. Es war die absolut irrste Mitfahrgelegenheit, eine Fahrt, die einen geradewegs an die Veranda und bis zur Eingangstür führte, und Marco hatte schweigend in dem VW-Bus gesessen, ganz Ohr, als Norm Sender auf seine Antwort hin losbrüllte: »Gute Antwort, Bruder« und dann mit einem halbstündigen Vortrag über sein Lieblingsthema – sein einziges Thema – loslegte: Drop City.
    Er war auf irgendwas drauf – Speed wahrscheinlich, so wie er aussah und drauflosbrabbelte –, aber das spielte weiter keine Rolle für Marcos Einschätzung, weil praktisch jeder, dem er in den letzten zwei Jahren begegnet war, entweder high war oder gerade von irgendeinem Trip runterkam, und ihm selbst war es wohl ebenso ergangen, öfter, als er selbst zugegeben hätte. Zu Anfang, mit neunzehn, zwanzig, da war es eine Sache des Angebens – Aha, du hast also bei dem Konzert DMT eingeworfen und dann noch O geraucht? Echt cool, aber ich drücke seit neustem, Mann, das isses für mich. Und Acid. Logisch, Acid. Aber da geht’s mir nicht um Bewußtseinserweiterung oder irgendwelchen mystischen Quatsch – ich will nur gut draufsein, Alter, alles klar? –, aber inzwischen wiederholten sich die Dinge. Wie viele solcher Unterhaltungen hatte er schon geführt? Zehn Millionen, heiße Luft rein, heiße Luft raus. Trotzdem, als Norm Sender einen Joint anrauchte und ihm hinüberreichte, nahm er ihn und zog daran. So machte man das eben. Das war das Ritual.
    Sie saßen da,

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