Grün war die Hoffnung
mit Fett, aber die Moskitos erwischten sie dennoch an der einen Stelle, die sie vergessen hatte – die Nasenspitze –, und das Herumwedeln wurde zur automatischen Geste. »Noch fünf Minuten«, flüsterte Sess, die Schrotflinte in der Hand und einen Zweiundzwanziger über der Schulter. »Ich führe dich hier zu einer kleinen Seenkette, wo es sogar noch mehr Enten als Moskitos gibt, falls du dir das vorstellen kannst.« Und dann erzählte er ihr, daß die Ureinwohner Alaskas diese Jahreszeit nicht Spätfrühling oder Frühsommer nannten, sondern einfach so – Enten –, weil die dann nämlich zu Tausenden aus dem Süden heraufgezogen kamen, um hier zu nisten und ihre Jungen großzuziehen. Es sei der reinste Geflügelmarkt. Man könne einfach nicht danebenschießen.
Doch dann waren sie dort, und er schoß doch daneben, dreimal, und der See, der vor vielen Jahren ein Abschnitt des Flusses gewesen war – einen Ochsenbogen nannte man das –, wurde einen Moment lang zum Pandämonium aus schnatternden, flatternden Enten, und dann lag er völlig entenleer da, eine flache, dunkle Wasserfläche ohne einen einzigen Vogel. Sess nahm es sich sehr zu Herzen. Er entschuldigte sich – führte aber keine Ausreden ins Feld, denn so war er nicht. »Warte hier«, sagte er, und sie wartete eine knappe Stunde, während er leise wie ein Windhauch im Unterholz verschwand. Die Moskitos umschwärmten sie, bis schließlich die Stille vom fernen Krachen dreier Schüsse gebrochen wurde, und als er zu ihr zurückkehrte, war er immer noch ohne Ente. Er warf ihr ein gepreßtes Lächeln zu. »Keine Sorge«, sagte er, »wir müssen nur – also, ich sage das ungern, aber wir müssen einfach Geduld haben. Kannst du das verstehen, Pamela? Kannst du?«
Sie wollte eben sagen, wie gut sie das verstehen könne, natürlich tat sie das, und daß er sich ihretwegen nicht zu sorgen brauche, doch da bewegte sich das dunkle Wasser vor ihren Füßen, als wäre es zum Leben erwacht, und sie erkannte etwas noch Dunkleres, V-förmiges unter der Wasseroberfläche, worauf er grinste und nach dem Zweiundzwanziger griff, und kurz danach watete er aus dem Schlick, ein tropfendes, nacktschwänziges schwarzes Wesen in der Hand, und sie fragte: »Was ist das, ein Biber?«, und er sagte: »Das ist ’ne Ratte.«
Zum Abendessen hatte sie Hunger, einen Riesenhunger, jede einzelne Zelle schrie nach Treibstoff, und er bereitete ihr ein Moschusrattenfrikassee in einer Sauce aus gedünsteten Dosentomaten mit Reis und Gemüse und einem süßlichen gelben Klecks des Moschusfetts, das der Ehrengast normalerweise unter seinem Pelz trug, während er in den Teichen und Sümpfen der stillen Wälder seinen schlammigen Ritualen nachging. Zum Herunterspülen trank jeder zwei Flaschen selbstgebrautes Bier, das so stark war, daß es sie an die Absturzdrinks im College erinnerte. Etwas Besseres hatte sie noch nie gegessen. Und das sagte sie Sess auch, als sie grinsend auf dem Bett saß, während er das Geschirr abwusch. »Ich bestehe darauf«, sagte er, »schließlich hast du heute morgen gespült, also ist das nur fair.« Danach holte er seine Mundharmonika und sang ihr ein Ständchen, und am Ende versuchten sie sich gemeinsam sehr harmonisch je dreimal hintereinander an »Oh, Susannah«, »You Are My Sunshine« und »She Loves You (Yeah Yeah Yeah)«.
Es war nach Mitternacht, und sie waren beide vom Singen, vom Bier und vom Gefühl des Zusammenseins angetütert, das sie immer wieder von neuem in gute Laune versetzte, als sie irgendwann sagte: »Also, erzähl mir mal von Jill.«
Die Stimmung gefror schlagartig. Er führte gerade sein Bier zum Mund und hatte eine Geschichte über die Nacht im vergangenen Winter beendet, in der das Thermometer auf minus fünfzig gefallen war und er das Spülwasser vor die Tür kippen wollte, aber es war schon gefroren, bevor es auf dem Boden auftraf, und machte dabei ein Geräusch wie Glasmurmeln, die aus einem Säckchen prasselten, jetzt aber ließ er das Bier sinken und sah an ihr vorbei zu dem kleinen Fenster hinaus. »Davon willst du nichts hören«, sagte er.
»Doch«, beharrte sie. »Will ich.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Nichts, was du wissen müßtest.«
»Ich weiß ja noch gar nichts«, sagte sie, und dann, um aufrichtig zu sein, denn sie hatte sehr wohl schon mindestens drei Versionen der Geschichte gehört, wobei die bedrückendste und für Sess nachteiligste von den Lippen des parteiischen Howard Walpole wie ätzende Säure
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