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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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weg!« Im nächsten Moment duckte Howard ab, noch während in seiner Faust der wächserne Glanz des Zeugs erblühte, das er da aus sich herausgerackert hatte, als wäre es Gold aus den Rückständen einer aufgegebenen Mine.
    Und warum mußte sie gerade jetzt daran denken? Weil es jetzt paßte, weil es der rechte Moment war. Sie war eine verheiratete Frau, und dieser Mann mit dem verkrampften Rücken und dem Nacken von der Starre eines Hydranten, der im Nebenraum an irgend etwas herumfummelte, der war ihr Ehemann, und sie konnte endlich ihren wildesten Phantasien freien Lauf lassen und tun, was sie wollte – ihn streicheln, ihn lutschen –, ohne sich schmutzig zu fühlen. Es war ihre Hochzeitsnacht. Es war die Erfüllung all jener Grapsch- und Keuchmomente und jener Selbstkontrolle, die stärker als jedes Verlangen gewesen war. »Sess«, sagte sie, dabei öffnete sie ihren BH und ließ ihn ebenfalls zu Boden fallen, »Sess, sieh mich an.«
    Darauf drehte er sich um, ihr Mann, und in seiner Hand hielt er das, womit er sich abgearbeitet hatte: eine glänzende Verpackungsfolie, das hautartige Gehänge aus Gummi. »Ich wollte nur ...« sagte er, und sie sah ihm ins Gesicht, sah ihm in die Augen, während er sich an diesem neuen Anblick von ihr erwärmte: nichts als ein hauchzartes Dreieck aus Seide an ihr. »Ich konnte nicht – ich meine, ich hab dieses Ding beim Auspacken anscheinend eingerissen.«
    Sie hätte am liebsten losgelacht. »Das brauchst du gar nicht«, sagte sie und breitete die Arme für ihn aus, »das brauchst du niemals wieder. Verstehst du nicht? Ich bin doch deine Frau!«
    Sie standen früh auf, alle beide, die gepackten Rucksäcke standen bereit, das Kanu war bis zum Dollbord mit Hochzeitsgeschenken beladen, und sie frühstückten, was eben da war: Sess aß ein Sandwich mit Schinken, Käse und Karibuzunge, das ihre Schwester aus Anchorage mitgebracht hatte, Pamela genehmigte sich einen übriggebliebenen Teller mit grünen Bohnen, marinierten Artischocken, einen Haufen Eisberg- und eine Kelle Kartoffelsalat, um die Sache abzurunden. Sie hatte nicht geschlafen – oder doch, hier ein bißchen, da ein bißchen, aber auf eine Weise, die eher ein Wachtraum als ein Schlaf gewesen war, und sie konnte sich immer noch nicht bremsen, nach ihm zu greifen, mit der Hand seinen Arm zu ertasten oder über die geheimnisvolle Topographie der Schulter zu fahren, die sich an ihre drückte. Sie war eine Forscherin, genau das war sie, sie prägte sich die Landschaft ein, erschuf sie immer wieder von neuem.
    Er hatte zweimal mit ihr geschlafen, unter der unermüdlichen kupferfarbenen Sonne, die sich weigerte, an ihrem Hochzeitstag unterzugehen. Der Sonne, die die eckigen Kanten der Jalousien umspielte und den Fußteil des Betts grell erstrahlen ließ, als wäre sie nur für sie da; und er war überhaupt nicht wie Fred Stines oder Eric Kresten oder die anderen gierig hechelnden Collegejungs, deren Vorstellung vom Sex etwas rein Mechanisches gehabt hatte, eine Art Leibesübung, wie Kniebeugen oder Liegestützen. Nein. Er war geduldig. Liebevoll. Dankbar. Er gab ihr mehr als nur das Gefühl, sie zu wollen – er gab ihr das Gefühl, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein. Sie sah ihm beim Schlafen zu, als die Sonne hinter den Hügeln versank und die Jalousien grau wurden in der Dämmerung, die Nacht werden wollte, und dann weckte sie ihn auf, als die Sonne bald danach wieder aufging, und er liebte sie gleich noch einmal.
    Jetzt aber war es sieben Uhr morgens, sie hatten aufgeräumt, das Bett frisch überzogen, die Essensreste in Richards Kühlschrank verstaut und gingen nun Hand in Hand zum Kanu. Die Sonne flutete durch die Bäume, der Fluß war ein Band aus purem Licht. Vögel zwitscherten. Ein Gänsepaar schoß vom Wasser auf, und Sess zeigte ihr das schwarze Knäuel im Wipfel einer Birke oben an der Böschung, das ein Baumstachelschwein war. Und dann paddelten sie, mit perfekt abgestimmtem Schlag, eine lässige rhythmische Absprache zwischen Mann und Frau, sie paddelten, als wären sie schon seit Anbeginn ein Team.
    Alles sah neu für sie aus, jedes Blatt, jede Biegung, der Fluß, der sich gegen ihr Paddel stemmte und sich mit jedem Moment frisch erschuf. In ihrem Gehirn rasten Endorphine. Sie war leichter als Luft. Sie sprachen gedämpft, ihre Stimmen trugen über das Wasser, und sie unterhielten sich über praktische Dinge: sie sollten eine Lachsfalle anfertigen, einen Anbau für das Haus erwägen, ein Gewächshaus für

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