Grün war die Hoffnung
die Tomaten errichten, möglichst bald Zinnien, Ringelblumen, Stiefmütterchen und Löwenmäulchen säen. Und über die Hunde. »Als allererstes bringe ich dir bei, den Hundeschlitten zu führen«, sagte Sess, »damit du die Fallenstrecke mit mir abgehen, meine Partnerin sein kannst. Das wolltest du doch, oder?«
Ihre Antwort war ein Lächeln, das sie ihm über die rechte Schulter zuwarf, während das Paddel durchs Wasser glitt. Sicher war sie seine Partnerin – sie hatte ihn schließlich ausgewählt, nicht wahr? Ging es nicht bei alledem genau darum? Sie würde die Hunde füttern und den Schlitten führen, sie würde Lederhäute spannen und gerben, seine zerschlissenen Kleider flicken, für ihn kochen und ihn in der Nacht wärmen, und er wiederum würde sie festhalten und für sie sorgen. Das war ihr Leben, wie es sich für die Zukunft entspann, und es war so fest und sicher wie irgend etwas auf der Erde nur sein konnte.
Nach einer Weile wechselten sie vom brodelnden Milchwasser des Yukon zum glasklaren Thirtymile hinüber, und die Blockhütte – ihr Zuhause – kam in Sicht, der allerletzte Außenposten der Zivilisation. Das Kanu schnitt durch die Strömung, und das Haus wirkte immer größer. Alles war still. Still und üppig. Sie genoß die Stille, doch plötzlich fing Sess wie wild an zu paddeln, zum erstenmal nicht mehr im Takt mit ihr, er rang geradezu mit dem Paddel, stieß das Kanu vorwärts, als hätte der Fluß Feuer gefangen. »Die Hunde!« sagte er.
Und dann dämmerte es ihr: die Hunde waren stumm geblieben. Zwei Tage angebunden und niemand zu Hause – sie hätten die Schnauzen himmelwärts heben und Ungeduld wie Freude lautstark äußern müssen. Aber sie blieben still. Schlimmer noch: sie lagen reglos im Gestrüpp, die Ketten wie Schlingen um ihre Kehlen. Und als sie und Sess endlich dort waren, als sie das Kanu an Land gezogen hatten und völlig außer Atem die Uferböschung hinaufsprinteten, da waren ihre Kadaver schon steif mit diesen zerfetzten dunklen Öffnungen, in die die Kugeln sich eingenistet hatten.
Teil III
MITTSOMMERTAG
One pill makes you larger,
And one pill makes you small.
And the ones that mother gives you
Don’t do anything at all.
Grace Slick: »White Rabbit«
11
Star hatte kein Mantra für diesen speziellen Morgen, keine Nonsens-Silben oder Liedtexte rasten ihr im Kopf herum, während in den Fenstern über der Spüle die Sonne sang und zweiunddreißig schaumig geschlagene Eier in der Pfanne blubberten. Oder in den Pfannen. Vier Stück waren es, gußeisern und alle kohlschwarz – vier Pfannen, vier Gasbrenner, alles etwas störrisch. Plakate kletterten die Wände hinauf: vier Beatles, drei Youngbloods, fünf Rolling Stones. Basilikum, Rosmarin, Estragon und Zitronengras. In Tontöpfen. Ein mächtiger Schwall von Grün. Sie zerkrümelte in jede der Pfannen etwas Ziegenkäse, intensiver Duft stieg auf, der Pfannenheber war in voller Bewegung, umdrehen und rühren, umdrehen und rühren. Neben ihr war das Hackbrett, und an diesem Morgen glänzte es feucht von den Rückständen der Tomaten, Peperoni und Zwiebeln, die sie und Merry gewürfelt hatten, während Lydia Orangen preßte und Maya die Kekse aus dem Ofen holte. Auf dem Tisch stapelten sich die Blechnäpfe, und das Besteck erwartete den Ansturm der Esser in zwei großen Plastikeimern, die früher Blue-Bonnet-Margarine enthalten hatten. Als Servietten gab es eine Küchenrolle, genau wie im Camp Minewa, wo Star als Kind in den Ferien gewesen war.
Zahlen waren sehr wichtig an diesem Morgen, so war das eben – sie stand auf Zahlen: zwei Hunde auf dem Boden ausgestreckt, vier Frauen in der Küche (und sie würde sie bestimmt nicht Bräute nennen, es war verniedlichend und demütigend, ganz egal, was Ronnie sagte), zwei Ziegen unter dem Baum, dreiundvierzig Leute, die auf ihr Frühstück warteten, eine Sonne, fett und strahlend, die das schwarze Gitter der Fliegentür verzauberte. Sie rührte Rührei, eine Pfanne, zwei Pfannen, drei Pfannen, vier Pfannen voll, der Zwiebelgeruch wetteiferte mit dem der Kekse, bis die ganze Küche davon erfüllt war und Jiminy den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Schon fertig?« wollte er wissen. »Noch eine Minute«, sagte sie, und sie genoß es, diesen Ort und diesen Moment, mehr als sie je etwas im Leben genossen hatte, »sechzig klitzekleine vertickende Sekunden – kannst sie schon mal an den Fingern abzählen.«
Zu Merry, die neben ihr werkelte, sagte sie: »Freaks und Bräute, wer
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