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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Überreste eines Privatflohmarkts erinnerte, unter dem Baum verstreut liegen: seine Bücher, seine Kleider, sogar seine Zahnbürste. Marco sagte kein Wort. Er bückte sich nicht einmal, um die Bücher aufzuheben oder zu versuchen, die Seiten zu ordnen und die Einbände zusammenzukleben – das alles hatte Zeit. Er drehte sich nur um und ging in Richtung des hinteren Hauses, die Schultern vorgeschoben, die Arme reglos herabhängend, und sie sagte auch keinen Ton – oder vielleicht doch, vielleicht stieß sie eine blödsinnige Frage hervor wie Wer ? oder Warum ? –, aber sie folgte ihm auf den Fersen.
    Sky Dog saß auf der Veranda, und Sky Dog sah sie kommen. Und was tat er? Er erhob sich von dem wackligen Küchenstuhl und rief irgend jemanden im Innern des Hauses – Lester, Franklin, Dewey? –, aber niemand folgte seinem Ruf, während Marco wild und beinahe kopfüber die Stufen hinaufstürmte, und Sky Dog, der jetzt ganz aus erhobenen Händen und hervorquellenden Augen bestand, vor ihm zurückwich. »Hey, ich hab kein Problem mit dir«, sagte er und verzog sich in eine Ecke, bereit, sich einzuigeln, abzuducken und einen schützenden Arm hochzuwerfen. Marco ging schnurstracks auf ihn los.
    Sie wußte nicht, wie lange es dauerte, aber über das Ergebnis bestand nie irgendein Zweifel. Alfredo, Jiminy und Mendocino Bill mußten Marco mit vereinten Kräften von Sky Dog wegzerren, der im ersten Ansturm zu Boden gegangen war und nicht wieder hochkam. Sie stand in einem dünnen Balken Sonnenlicht, das ihren Kopf festnagelte, und hörte den Aufprall jedes einzelnen Schlags, ein unbarmherziges Krachen von Knochen auf Haut, Knochen auf Knochen, und es war fast so, als verpaßte Marco auch ihm eine Massage, sehr gründlich und sehr gewissenhaft, mit spezieller Betonung von Kopf und Kehle. Aber das hier war keine Massage, es war Mord. Oder jedenfalls nahe daran. Es floß Blut, wo kein Blut hätte sein dürfen, auf den ausgetrockneten Dielenbrettern und den verblichenen Holzwänden, es sickerte in den Stoff von Sky Dogs Jeansweste und wurde wie Fingerfarben in der Höhlung seines Schlüsselbeins verschmiert. Auch Stars Blut pochte rasend schnell. Sie fand das alles furchtbar, ganz furchtbar, doch sie konnte den Blick nicht abwenden, und sie rief kein einziges Mal um Hilfe.
    Doch das war neulich gewesen, und neulich zählte nicht viel.
    Was zählte, war das Jetzt, und so öffnete sie die Augen für die sanft nickenden Bäume, das Festival am Fluß, ein Eisvogelpaar, das dicht über der Wasseroberfläche dahinzog. Es war nur ein Tag, eine Art Kleidungsstück, das man überwerfen und für eigene Zwecke verwenden konnte, und dieser Tag wurde jetzt heller und leuchtender, bis alle Farben sich als Relief vor den Schatten abhoben, die auf dem jenseitigen Ufer versammelt waren. Zahlen, sagte sie zu sich – Zahlen, keine Geschichten. Zwei Vögel, ein Fluß, dreihundertsechzehn Bäume, siebentausend Wildblumenarten, eine Erde, ein Himmel: es gab nichts, wovor man sich fürchten mußte, nothing to get hung about. Strawberry fields forever . Sie stemmte sich hoch und ging zurück zum Haus.

12

    Norm besaß eine Taschenuhr, die seit drei Generationen in seiner Familie war, ein angelaufenes silbernes Ei an einer angelaufenen Silberkette, das immer in der Vordertasche seines Overalls steckte. Nach Marcos Schätzung dürfte er mindestens alle dreißig Sekunden nach der Zeit gesehen haben, seit sie von der Ranch losgefahren waren, während er die freie Hand lässig über das Lenkrad hängen ließ, das Radio statisch knisterte und der VW-Bus durch die Kurven der Flußuferstraße schleuderte, als wären die üblicherweise geltenden Naturgesetze – Schwerkraft, Geschwindigkeit, Luftwiderstand – zu Ehren des Tages ausgesetzt. »Weißt du«, brüllte Norm gerade, »ich möchte diesen Trip sauber koordinieren, so daß wir voll im Einklang mit allen anderen sind, und da meine ich exakt auf die Minute – und nenn mich ja nicht spinnig, denn das ist ein Karma-Ding, ja? Damit wir alle zugleich abheben. Ich meine, hat doch wenig Sinn, auf Trip zu gehen, wenn man nicht gemeinsam abhebt, oder? Hab ich nicht recht?«
    Um das zu wissen, brauchte er Marco nicht, aber dieser bestätigte es ihm dennoch.
    »Na schön. Also, dann peilen wir zehn Uhr an, einen Becher O-Saft für dich und einen für mich, danach kaufen wir die Sachen für das Festessen ein – Vanille-Cola, darauf steh ich total, Mann, ich sterbe für Vanille-Cola, besonders wenn ich auf Acid

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