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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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zu sagen. Er stellte eine private Rechnung an: pro und contra. Er hatte es sich zu gemütlich gemacht, dabei hätte er es besser wissen müssen. Er hatte sich niedergelassen, ein Baumhaus gebaut, die Gräben für Abwasserrohre gebuddelt, eine Frau gefunden – hier stieg das Bild von Star, lächelnd wie auf einem verblichenen Klassenfoto, vor ihm auf und packte ihn –, aber das war alles vergänglich, egal, ob man dagegen ankämpfte oder nicht. Sky Dog war weg, immerhin etwas, und es würde nicht mehr lange dauern, bis Lester ihm folgte. Alfredo konnte er verschmerzen, und Pan ging ihm gelegentlich auf die Nüsse, ließ sich aber kontrollieren. Nur hatte das keinerlei Bedeutung. Nicht wenn die Behörden sich einmischten. Es war vorbei, und wenn er halbwegs bei Sinnen war, sollte er alles, was ihm in den letzten fünf Wochen ans Herz gewachsen war, auf der Strecke lassen und schleunigst verduften.
    Norm drehte sich auf dem Fahrersitz zu ihm um. »Die Leute fragen mich dauernd: ›Alter, du kannst einfach nicht jeden reinlassen, weil das uns alle ruinieren wird‹, aber was soll ich denn machen? Jeder will raus aus dieser beschissenen Gesellschaft von Konsumidioten, und ich kann doch keinem im Weg stehen. Ich meine, niemand hat mich zum Gott erwählt.« Norm schob sich die Brille zurück auf die Nase, aber sie rutschte wieder zur Nasenspitze hinunter. Es wurde langsam heiß im Wagen. »Außerdem, und das werde ich dir ja nicht erzählen müssen, Mann: sobald wir den Zugang für die Kommune beschränken, wird das eine statische Angelegenheit, verknöchert wie die Shaker oder die Amish People oder so. Da stirbt man aus. Ganz einfach so. Wir brauchen eine offene Gemeinschaft, und genau wie Gurdjieff das gesehen hat, lassen wir Gott die Entscheidung treffen, verstehst du?«
    »Und was ist mit Sky Dog? Oder Lester?«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Ach, komm schon, Norm, willst du mich verscheißern? Diese Typen bringen doch unsere Sache total in Verruf, und von denen kommen immer mehr, bis die Behörden dir einen Pfahl durchs Herz treiben, oder es geht eben die ganze Szene baden. Sogar Jiminy. Und Star und ich, jeder von uns. Es funktioniert einfach nicht, wenn wir nicht irgendwelche Regeln haben ...«
    »Wenn du auf Regeln stehst, dann such dir Arbeit in einer Bank. Was mich wieder zum Thema bringt – die Arschlöcher hier wollen von mir inzwischen an die dreitausend Dollar, lauter lächerliche – soll ich sie verachtenswert nennen? ja, verachtenswerte absurde – Geldstrafen, und das zehrt langsam die Lebensversicherung meiner Eltern auf. Bald ist nichts mehr davon übrig, verstehst du, Alter? Es ist vorbei. Ende der Durchsage. Gute Nacht und Wiedersehn.«
    Der Augenblick verstrich. Im Radio lief nichts als netter seichter Popdreck, »I Got You Babe« tröpfelte durch ein statisches Gewitter aus den Lautsprechern, die jetzt schon schepperten, obwohl der VW-Bus keine sechs Monate alt sein konnte.
    »Deshalb hab ich mir ja diesen Wagen gekauft«, sagte Norm, als hätte Marco laut gedacht. »Da hab ich mal ein bißchen von meinem Geld für etwas ausgegeben, das ich wollte – oder wir , immerhin können wir alle das Ding gebrauchen –, anstatt es einfach den Wichsern in den Arsch zu pumpen mit ihren Rechenschiebern und ihrer beschissenen Bauordnung, die sie anscheinend auswendig gelernt haben. Aber scheiß drauf. Heute ist doch ein besonderer Tag, oder? Wollten wir hier nicht ernsthaft eine Ladung Vanille-Cola abgreifen, oder was?«
    Sicher doch. Und Marco war auch nicht nur einfach so mitgefahren, sondern er wollte eigentlich einen Pferch für das Pferd bauen, für das blödsinnige, nervöse Monster von Pferdevieh, dem Gefahren von zweispurigen Schnellstraßen und Betontransportern mit schlechten Bremsen ziemlich schnurz zu sein schienen, deshalb hatte er beim Baumarkt eine Rolle Stacheldraht kaufen wollen – von Norms Kohle –, aber das kam ihm jetzt alles etwas sinnlos vor. Deprimiert zog er den Kopf ein und kratzte seinen Bart, dabei überlegte er geistesabwesend, ob er sich von der fetten orangefarbenen Katze, die immer oben auf dem Kühlschrank hockte, eventuell einen Ringwurm eingefangen hatte. Er hatte etwas aufbauen wollen – immerhin war er vierundzwanzig und über das Alter hinaus, in dem man mit dem Kopf gegen die Wand des Establishments anrannte –, aber auf Drop City würde das wohl nicht geschehen. Er fühlte sich auf einmal so schwer, als würde er mit seinem Gewicht jeden Moment das Auto unter sich

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