Grün war die Hoffnung
harte Frau zu sein.«
Und das war sie. Eine gute Stunde lang arbeitete sie an seiner Seite, grub und schaufelte, koordinierte ihre Bewegungen mit den seinen, der Kies im Graben schwoll an wie ein grauer Fluß, der sich durch das Hellbraun der verbrannten Wiese zog, und sie spürte es in den Oberschenkeln, in den Armen und im Rücken, auch in den Füßen – besonders in den Füßen, die nicht schlimmer hätten schmerzen können, wenn sie mit Ziegelsteinen bearbeitet worden wären –, aber sie hielt keinen Moment inne. Sie wünschte sich sein Lob, und mehr noch: sie wollte ihn übertreffen.
»Na gut«, sagte er schließlich, »na gut – du meine Güte, du bist ja das reinste Arbeitstier. Alfredo hatte recht bei dir.«
»Womit denn?«
Er blickte über die Wiese auf die Bäume. »Keine Ahnung. Hast du Lust, schwimmen zu gehen?«
Das Wasser war ein Lebewesen, in jedem Tröpfchen und jeder Welle voller Seele, und sie glitt mit einer eleganten Bewegung hinein, die mit ihren wie zum Gebet über den gebeugten Nacken erhobenen Händen begann und mit einem Schnipser von Fußknöcheln und Zehen endete. Das Klatschen von Marcos Sprung wurde von ihrem eigenen übertönt, es folgte der kalte, abrupte Schock, und dann lieferten sie sich ein Rennen zum anderen Ufer hinüber, sie kraulte, er schwamm Schmetterling. Gegen Ende legte er mächtig zu und schlug das Wasser zu Schaum mit weit ausgebreiteten Armen und dumpf hämmernden Explosionen seiner Fußstöße, doch sie war im Geist auf einmal wieder zu Hause am See, dreizehn Jahre alt und die stärkste Schwimmerin in ihrer Altersgruppe, zum Floß hinaus und wieder zurück, kein einziges Rennen hatte sie verloren, den ganzen Sommer lang nicht. Sie berührte die Felsen am Ufer und fuhr erwartungsvoll zu ihm herum. Zwei Schläge, drei, da war er auch angekommen, schmiegte sich nackt an sie im Plätschern der Strömung und hielt sie fest, als hätte er sie sein Leben lang gejagt.
Später, als die Sonne schon eine Rille in den Fluß gebrannt hatte und sich allmählich hinter die Bäume verzog, schwammen sie gemeinsam zurück, zogen sich wieder an und gingen den Hügel hinauf. Sie fühlte sich rein und erfrischt, wie immer nach dem Schwimmen, ihre Muskeln waren gestreckt und dann gestreichelt und massiert worden, bis sie so weich waren wie das Kalbfleisch, das ihre Mutter immer für Cordon bleu mürbe geklopft hatte: erst die eine Seite, dann die andere, klatsch-klatsch-klatsch. Sie hatten in einer kühlen, grasbewachsenen Senke auf einer Sandbank miteinander geschlafen, und Marco hatte sich Zeit gelassen, ihr mit der Zunge und den Fingern jeden leisen Seufzer entlockt, und sie hatte sich aufgebäumt, ihn aufgenommen und ebensosehr ihn gevögelt wie er sie. Danach lagen sie lange dort im Gras und beobachteten am kobaltblauen Himmel einen Falken, der im Sonnenlicht glühte, bis Marco sie anstupste und sie auf ihn draufrollte, jeder Quadratmillimeter ihrer Haut von innen her glühend, und sie mußte an einen Film denken, den sie einmal nachts gesehen hatte, als sie noch in die Highschool ging und ihre Eltern schon schliefen und die ganze Welt still war – Hiroshima, mon amour , so hatte er geheißen, ein französischer Film –, und an den lustvollen Schauer, den es ihr bereitet hatte, die beiden Liebenden darin zu sehen, Haut an Haut, ihre Brüste an seiner Brust, ihre eng aneinandergepreßten Körper, ihre Beine und Füße. Sie fühlte sich nicht schmutzig. Sie fühlte sich sauber. Fühlte sich, als hätte sie nie im Haus ihrer Eltern gelebt, wäre nie in den Religionsunterricht gegangen oder zur heiligen Kommunion und hätte auch nie in errötendem Schrecken Mrs. Montgomery zugehört, wenn sie in der siebenten Klasse die Mädchen beiseite nahm und ihnen vom Penis erzählte und wie das Blut dort hineinströmte und ihn hart machte, und was es für sie bedeuten würde, wenn sie nicht die Knie zusammenhielten, bis sie verheiratet waren. An Ronnie dachte sie nicht. Auch nicht an den Freak im Tipi. Sie dachte an überhaupt nichts.
Niemand sah etwas. Niemand wußte etwas. Aber dann kam sie zusammen mit Marco vom Fluß hinauf, ihr nasses Haar fiel ihr über den Rücken, ihre Hand schwang in seiner, und sie verspürte nichts als Heiterkeit und den Frieden dieser Welt, aber da lag die Gitarre, die Saiten ringelten sich durch das Laub, und das Griffbrett war in glitzernde Stücke zersplittert, die kaum noch als Souvenirs taugten. Sie überquerten die Straße und sahen etwas, was an die
Weitere Kostenlose Bücher