Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
tut«, warf Alfredo ein, »aber wir müssen die Grenze zu Kanada überschreiten – sogar zweimal –, und da wollen wir ja nun nicht unbedingt als Freakparade anrücken, versteht ihr?« Er sprang von der Bank, auf der Bill sich abstützte, und sah Jiminy scharf an. »Du zum Beispiel, Jiminy – so kennen wir dich. Aber wie lautet dein richtiger Name? Ich meine, wie er auf der Einberufung stand.«
    Jiminy senkte den Blick. »Paul Atkins.«
    »Paul Atkins? Ja, na, das werden sie dann wohl an der Grenze hören wollen, und da solltest du auch besser deinen Schrieb von der Militärdienstbehörde dabeihaben. Am besten noch eine Geburtsurkunde dazu. Worauf hast du dich berufen, untauglich aus Gewissensgründen?«
    Jiminy wirkte gekränkt, ja empört, und Marco wollte eigentlich was sagen, tat es aber nicht. »So einen Scheiß fragen die überhaupt nicht an der Grenze«, sagte Jiminy. »Nur, ob man US-Staatsangehöriger ist, oder? Und wie lange man in Kanada bleiben will.«
    »Hör mal zu, Alter«, gab Alfredo zurück, »wahrscheinlich bist du noch auf die Grundschule gegangen, als ich zum erstenmal nach Kanada rüber bin – das war in Ontario damals –, und kann schon sein, daß das seinerzeit recht locker ablief, aber glaub mir, jetzt mit dem Krieg und den vielen Wehrdienstverweigerern – die ich übrigens total unterstütze, also versteh mich nicht falsch –, da wird das nicht so einfach werden, also müssen wir es richtig anfangen. Kapier das endlich, Mann: das hier ist kein Spielchen, kein Rockfestival über drei Tage, wo du einfach nach Hause fährst, wenn’s vorbei ist. Wir reden vom Überleben – die vertreiben uns hier von der Ranch , verdammt noch mal! Was meinst du, was das heißt?«
    Marco hörte nicht mehr zu, weil er sich diese Grenze schon vorstellte, eine vage Baumreihe, ein Kontrollpunkt mitten auf dem Highway, in Dunkel gehüllt, und was sollte er tun, wenn sie ihn ausfragten? Sollte er sich einen gefälschten Ausweis besorgen? Oder fünf Kilometer weiter über die grüne Grenze gehen? Gab’s da einen Draht? War der elektrisch geladen?
    »Halt doch mal die Lampe ruhig, Mensch!« sagte Bill. »Ich kann ja nicht sehen, was ich hier unten mache!«
    »Na schön, und als was wollen wir dann herumgondeln?« wollte Jiminy wissen. »Vielleicht als das Vereinigte Lacrosse-Team vom Washo-Indianerreservat? Das samt Cheerleader-Mädchen und Musikkapelle auf eine triumphale Tournee durch British Columbia zieht?« Er stieß sich vom Bus ab und starrte auf die beiden Krater, die seine Füße im Schlamm hinterlassen hatten. »Du hast ja leicht reden, brauchst dir keine Sorgen zu machen – weil du zu alt bist für den Wehrdienst.«
    Der Regen war inzwischen nur noch ein feines Nieseln, und die Seiten des Busses glänzten wie poliert. Der Mond spiegelte sich schimmernd im Schlamm. Aus dem Bus ertönte ein Kichern.
    Alfredo antwortete nicht sofort. »Stimmt genau«, sagte er schließlich, »ich bin vier Jahre und drei Monate zu alt. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich mir keine Gedanken um dich und Marco und Mendocino Bill und all die anderen Freaks hier mache. Das ist ein Krieg, Alter, und wir werden ihn gewinnen. Drop City Nord! Stimmt’s, oder hab ich recht?«
    »Alaska ist immer noch Teil der USA«, bemerkte Marco. »Der 49. Bundesstaat. Die haben da oben auch die Einberufung.«
    »Mag sein, aber wir werden so unheimlich weit weg von allem sein, daß niemand auch nur weiß, daß es uns gibt.«
    Als Marco am nächsten Morgen mit Star oben auf dem Bus saß und versuchte, ein paar Bretter zum größten Gepäckträger der Welt zurechtzuzimmern, und als er sich irgendwann nach unten beugte, um die nächste Latte entgegenzunehmen, da blickte er unerwarteterweise in die aufwärts gewandten Gesichter von Lester und Franklin. »Was muß ich denn da hören?« wollte Lester wissen, und seine Stimme klang wie mit Watte ausgelegt, als hätte er Angst, ihr weh zu tun. Er zog an der Krempe seines überdimensionierten Schlapphuts, um die Augen vor der Sonne zu schützen. »Ihr wollt also wirklich abdampfen und Franklin und mich im Stich lassen? Um wohin zu fahren – nach Scheißalaska?« Und dann kicherte er, ein tonloses Ausstoßen von Luft, das ebensogut der Auftakt eines Lieds hätte sein können. »Ihr Typen«, sagte er, immer noch kichernd, »ihr seid ja echt weggetreten.«
    Marco hielt einen Hammer in der Hand und hatte keine rechte Antwort auf der Zunge. Er knallte ein paar Nägel in die vordere Ecke der

Weitere Kostenlose Bücher