Grün war die Hoffnung
ihnen an diesem Abend aus einigen Resten der Hochzeitstafel etwas zu essen, Salate und Aufschnitt und andere Sachen, die sich nicht halten würden, und sie aßen am Picknicktisch in der Sonne, bei fünfundzwanzig Grad, während die Stille der Welt sich rings um sie legte. Er hatte ein T-Shirt und geflickte Jeans an; sie trug ein Oberteil, das ihren Nabel freiließ, und ihr offenes Haar lag wie ein goldenes Banner auf ihren Schultern. Das war schon was, das war wirklich ein Wahnsinn. Ihr Anblick hier, vor seinem Haus, an seinem Tisch, lebendig und pulsierend unter dem weiten Himmel, berührte ihn und ließ ihn demütig werden und seine Wut minutenlang vergessen. Sie war seine Frau. Er war verheiratet. Zum ersten- und zum letztenmal in seinem Leben.
Unten an der Böschung, nur sechzig Meter entfernt, spielte der Fluß eine plätschernde Begleitung zum Gemurmel ihrer Unterhaltung, und es hätte ebensogut das Klimpern eines Pianos in einer schummrigen Bar sein können. Selbst die Moskitos, deren Warum und Wozu wohl niemand ergründen konnte, schienen anderweitig beschäftigt. Sess aß kalten Schinken und einen Drei-Bohnen-Salat und hörte seiner Frau zu, hing jedem ihrer Worte nach, beobachtete ihre Lippen, ihre Augen. Eine geöffnete Flasche Wein stand auf dem Tisch, ein 1969er Inglenook Pinot Noir aus dem Napa Valley, daneben ein Krug mit dem dunklen Bier, das Sess selbst herstellte. Er war zum Bierbrauer geworden, als er hergezogen war und das Blockhaus gebaut hatte, weil der nächste Supermarkt eher superweit weg war, und wenn er nicht gerade heiratete oder Howard Walpole nachspionierte, dann produzierte er etwa ein Sechserpack täglich, in dem großen Plastikeimer gleich bei der Eingangstür. Also hieß sein Motto: Immer schön trinken, denn er besaß nur dreizehn Literflaschen, und was man nicht abfüllte oder sich hinter die Binde kippte, wurde im Handumdrehen zu Spülwasser. Er griff nach dem Krug, goß sich noch einmal ein, dann stieß er mit leisem metallischem Klickern der Blechbecher mit ihr an, und es klang so süß wie feinstes Kristall.
Eine Stunde vorher, als er die Hunde begraben hatte, war er ins Haus gekommen und hatte gesehen, daß sie schon alles eingeräumt und ordentlich verstaut hatte, dabei aber auch seine Junggesellenordnung ein wenig umarrangiert hatte, was ihm einen Stich versetzte. Die Konservendosen standen auf den falschen Regalen, mitten im Raum hing wie ein Vorhang ein Kleid von einer Schnur, und an der Wand, wo am Abend das Bett heruntergeklappt werden mußte, standen jede Menge Schachteln voller Kleider und Bücher, sogar ein Wecker war dabei – ein Wecker , zum Teufel! Und dann die Poster. An der hinteren Wand hatte sie Poster von irgendeinem Musiker mit Pagenkopf befestigt – Neil Diamond war das wohl. Was dachte sie sich eigentlich? Das hier war ein Blockhaus in der Wildnis, nicht irgendein Zimmer im Studentenheim.
Er sagte nichts. Es war ihr erster Tag, ihrer beider erster Tag, und er war rasend vor Wut über das, was Joe Bosky getan hatte, und das mußte er sich vor Augen halten, mußte sich sagen, daß er Joe Bosky nicht in seine Gedanken lassen durfte, der Typ durfte ihm das hier nicht verderben, deshalb ging er zu Pamela, die Blumen in einer Kaffeedose arrangierte, und umarmte sie. Und das führte zu Küssen und Streicheln und von ihr geflüsterten Worten über menschliche Größe und Innehalten. »Wenn es ums Geld geht«, sagte sie und wich ein Stück zurück, um ihm in die Augen zu sehen, »ich habe Geld.«
Sein Ärger flammte erneut auf. »Wovon redest du?«
»Na, von den Hunden. Wir können Hunde kaufen. Fahren wir zurück nach Boynton. Nach Fairbanks. Egal, wohin.«
»Was denn, über eine Zeitungsanzeige? ›Suche erfahrenes Hundegespann für Fallenstrecke‹? Da wär ich ja die Lachnummer der ganzen Stadt. Das würde ich nicht überleben, niemals. Außerdem stellt kaum noch jemand Fallen, und Schlittenhunde sind auch eher altmodisch.«
Sie machte ein Gesicht, das er noch nicht kannte: verkniffene Lippen, eine Doppelfalte zwischen den vollkommenen Augen. »Jeder hier oben hat Hunde«, beharrte sie, »und die kriegen alle dauernd Junge. Warst du schon mal in Kiana oder Noorvik oder in einem der Eskimodörfer? Denn da oben gibt’s fünf Hunde auf jeden Einwohner, ob Mann, Frau oder Kind.«
»Okay, laß mich das mal klarstellen: wir sollen zu irgendeiner Eskimosiedlung fliegen, uns dort ein Hundegespann zusammenkaufen und in einer viersitzigen Cessna damit
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