Grün war die Hoffnung
der Schnee, das Feuer«
16
Also waren die Flitterwochen vorbei, ehe sie richtig angefangen hatten, und das war eine Schande oder schlimmer noch, ein Verbrechen. Ein Verbrechen, begangen von einem Mann mit einem Gewehr, einer halbautomatischen Remington Kaliber 22, Typ Nylon 66, nach den verformten Geschossen zu urteilen, die Cecil Harder aus den Kadavern von Bobo, Hippie, Girl, Loon und Saucy herauspolkte. Natürlich konnten die Kugeln aus jeder Zweiundzwanziger stammen, aber Joe Bosky besaß eine Nylon 66 – er schätzte sie, wie viele andere, wegen ihres leichten Kunststoffkolbens –, und Joe Bosky war nun mal der einzige auf dieser grünen Erde, der auch nur daran denken würde, jemandem seine Hunde abzuknallen. Hunde erschoß man einfach nicht, ebensowenig wie man einem Mann die Hütte niederbrannte, die Frau vergewaltigte oder eine Kugel zwischen die Schulterblätter setzte, wenn er in seinem Kanu vorbeiglitt. Sess Harder versuchte, von der Natur zu leben, das wußte jeder hier. Geld verdiente er mit Fellen, und ohne Hunde zum Abgehen der gut sechzig Kilometer langen Fallenstrecke, die er von Roy Sender geerbt und auf eigene Faust verbessert und erweitert hatte, war er aufgeschmissen. Das wußte jeder. Jedes Kind wußte es.
Also: anstatt heimzukommen, anstatt seine Braut hochzuheben und sie durch den Schmutzfang und dann über die Schwelle zu tragen, anstatt Hochzeitsgeschenke zu sortieren, die Speisekammer aufzufüllen und dann vielleicht mit Pamela nackt auf einer Decke draußen in der Sonne zu liegen – eine seiner wiederkehrenden sexuellen Phantasien –, mußte er fünf Löcher buddeln, wobei in seinem Herzen Haß und Reue tobten und der teuflische Wahn der Rache. Pamela versuchte ihn zu trösten, aber das half wenig. Sie war ja selbst entsetzt, und das war am allerschlimmsten – das machte es erst wirklich zum Verbrechen. Es war übel genug, daß dieser psychopathische feige, heimtückische Dreckskerl von Spießerarsch den Mord begangen hatte, aber Pamela eine solche Schandtat vorzusetzen, noch dazu einen Tag nach ihrer Hochzeit? Er würde Joe Bosky umbringen, sobald er eine Gelegenheit dazu bekam, da gab es keine Alternative. Joe Bosky hatte sich erklärt. Joe Bosky verlangte nach dem Tod. Er bettelte darum.
»Das kannst du nicht machen, Sess, also denk nicht mal dran. Dafür wanderst du ins Gefängnis – das ist Mord. Hier oben gibt es auch Gesetze – das weißt du doch ...«
Er stand in einer Grube, hackte in den Dauerfrostboden, schaufelte Erde hinaus. Er war erst seit einer Stunde zurück, mit seiner Braut, und bisher hatte er nicht mal das Kanu entladen, im Garten nach dem Rechten gesehen, sie ins Haus gebracht oder ihr auch nur einen Kuß auf die Wange gedrückt. »Was weißt du denn davon?« gab er zurück, und er sagte die Worte nicht, er fauchte sie.
Sie stand dicht neben ihm, in den Shorts, die ihre wunderschönen Beine sehen ließen, und hielt die Hände in die Hüften gestützt. Sie biß die Zähne aufeinander. Es war ihr erster Streit, einen Tag verheiratet, eine Nacht im siebenten Himmel, und nun das. »Ich werde hier nicht mit dir reden wie mit einem kleinen Kind, Sess, und ich werde dich nicht daran erinnern, daß ich jetzt auch was mit alldem hier zu tun habe ...Wir werden zur Polizei gehen wie zivilisierte Menschen, uns auf Recht und Gesetz berufen ...«
»Gesetze gelten nicht für Hunde.«
»Und für Mord? Gelten sie für Mord? Glaubst du etwa, ich hab dich geheiratet, damit ich dich drei Stunden pro Woche in irgendeinem Gefängnis besuchen kann?«
Er trieb den Pickel in die gefrorene Erde, seine volle Wut sammelte sich in seinen Schultern und Armen und in dem harten Panzer seiner Brustmuskeln. »Wenn ich ihn sehe«, knurrte er, »dann bring ich ihn um.«
»Also schön. Okay. Ich sehe, daß du sauer bist, deshalb lasse ich dich mal eine Zeitlang allein und fange an, die Sachen reinzutragen. Klingt das nach einem guten Plan?«
Sauer? wollte er eigentlich antworten. Du glaubst, jetzt bin ich sauer? Warte mal ab, bis ich eine Knarre in die Hand kriege, dann wirst du sehen, wie sauer ich sein kann – warte nur, bis ich dieses Arschloch gegen die Wand schmeiße und jammern lasse wie ein altes Weib. Er bekam allerdings keine Gelegenheit, das zu sagen, weil sie schon zum Fluß hinunterging, durch das sonnenbeschienene Farbenspiel von Glockenblumen und Lupinen, Nelkenwurz und Steinbrech, hinter dem sich das Kanu vor dem immerwährenden Glitzern des Wassers abhob.
Sie machte
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