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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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»Oder denken Sie erst mal nur drüber nach?«
    Dann gingen sie einen Betonkorridor entlang, zwischen langen Reihen von Drahtkäfigen, in denen sich Hunde jeder Größe und Beschreibung gegen die Gitter warfen, jaulten und japsten, ihre Pfoten arbeiteten wie Windmühlen, in den Augen blitzten Hoffnung und heller Eifer. Bei dem einen oder anderen blieb die Frau stehen und machte gurrende Laute, worauf die Tiere ihre glänzenden Schnauzen durch den Draht steckten, um ihren Fingern und dem Handrücken die Ehre zu erweisen. Es gab ein fürchterliches Kratzen der Klauen, wenn sie auf dem nassen Beton Halt suchten. Einer der Hunde, eine Beagle-Mischung mit Hängeohren und tiefen, wäßrigen Augen, kletterte über die Rücken dreier anderer, um die Schnauze durch eine Lücke zu schieben, wo die Käfigtür ein Stück aus der Verankerung gerutscht war, und Pamela schob die Hand in den Spalt an der Wand, um die Ergebenheit des Hundes zu spüren, dessen rosa Zunge jedes Molekül von Geschmack von ihrer Haut ableckte. Sie wollte sie gleich alle adoptieren.
    »Zum Beispiel Buster«, sagte die Frau und drückte die Hand gegen das Gitter, hinter dem ein Retriever mit hellem Gesicht und sichtlichem Hüftschaden kauerte, »Buster ist am knuddligsten von allen hier. Der wäre ein prima Hund fürs Haus. Und er liebt Kinder. Haben Sie Kinder?«
    Sess stand unmittelbar neben ihr, aber er hörte ihr offenbar gar nicht zu. Er beobachtete einen Hund weiter hinten im Käfig, ein hageres Tier, nicht älter als acht oder zehn Monate, mit wuchtigem Kopf und Pfoten, so groß wie Kuchenbleche. »Der da«, sagte er, »könnte ich mir den mal ansehen?«
    Die Frau sah ihn zweifelnd an. »Sie meinen Peaches? Er heißt Peaches«, sagte sie und warf einen Blick zu Pamela. »Der ist nichts fürs Haus, aber wenn Sie auf dem Land wohnen und ein bißchen Platz haben, na ja, dann könnte es wohl gehen. Nur ist er recht scheu, müssen Sie wissen.«
    »Das liegt daran, daß er Wolfsblut in sich hat«, sagte Sess, und seine Laune hatte sich abrupt gebessert – sie hörte es an seiner Stimme. »Siehst du die scharfen Winkel da in den Hinterbeinen, Pamela? Und die Schnauze? Die spitze Schnauze zeigt, daß seine Wirbel ein Stück länger sind, und deshalb können die Brustmuskeln dort besser ansetzen, und damit kann er richtig gut rennen. Das hier ist ein echt schneller Hund. Und ziehen kann der auch.« Und dann war er im Käfig, drei bis vier Hunde schnüffelten mit wedelndem Schweif an seinen Händen. Der Wolfshund zog sich in die letzte Ecke zurück, aber Sess kauerte sich einfach nieder und streckte die rechte Hand aus. »Peaches«, sagte er leise und kratzig, »was ist denn das für ein Name für einen Hund? Komm her, Junge, komm schon.« Es dauerte eine Minute, Pamela und die Frau sahen vor dem Käfig zu, und dann kam der Hund zu ihm, zwei Meter weit, mit der wölfischen Demutsgeste: er kroch auf den angewinkelten Läufen und schleifte den Bauch auf dem Boden. Sess streichelte ihm die Ohren nach hinten und fuhr mit der Hand über seine Schnauze. »Den nehm ich«, sagte er.
    Im Supermarkt durfte sie nicht mehr einkaufen, als sie beide auf dem Rücken tragen konnten, wofür er keine weiteren Erklärungen abgab, und er kam auch nicht mit ins Geschäft, um mit ihr den stählernen Einkaufswagen durch die Gänge des Überflusses zu schieben wie jedes Ehepaar seit der Schöpfungsgeschichte. Statt dessen blieb er mit dem Hund draußen auf dem Parkplatz – am hintersten Ende, wo das Gestrüpp knietief war –, und obwohl Sess eine selbstgebastelte Leine und ein Halsband dabeihatte, benutzte er sie nicht, noch nicht. Er führte den Hund nur mit seiner Stimme, und als Pamela in den Laden ging, kauerte er vor ihm, sah ihn nur an, der leise, beruhigende Fluß seiner Worte wirkte auf das Tier wie eine Beschwörungsformel. Am liebsten hätte sie den halben Laden leergekauft, aber sie mußte sich beschränken: auf ein paar Kosmetika, Zahnpasta, frisches Obst und Gemüse – nach dem sie geradezu hungerte – und so viel Pasta und Tomatenmark und Tomatensauce, wie sie als Packesel tragen konnten. Als sie mit dem Einkaufswagen aus dem Supermarkt kam, erhob sich Sess und kam über den Platz auf sie zu, ohne auch nur zu dem Hund zurückzusehen, doch das Tier senkte den Kopf und folgte ihm auf dem Fuß.
    Auf der Rückfahrt war Sess ausgelassen und plapperte drauflos, als hätte er eben im Lotto gewonnen. Die Einkäufe hatten sie hinter den Sitzen verstaut, und der Hund – er

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